Alles auf Zucker
Die Zuckerquote ist seit dieser Woche Geschichte. Weil europaweit mehr angebaut wird, fürchten nicht nur Rübenbauern sinkende Preise. Mehr billiger Zucker könnte auch gesundheitliche Folgen haben.
SALZBURG. Die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch schlug bereits Alarm. Eine neue Zuckerschwemme in Europa könnte den Zuckerpreis stark fallen lassen – und das berge auch gesundheitliche Gefahren. „Für die Lebensmittelindustrie wird es damit profitabler denn je, auf Produkte zu setzen, von denen wir Verbraucher weniger essen sollten“, sagt Foodwatch-Experte Oliver Huizinga.
„Natürlich ist es möglich, dass die die Industrie aus Kostengründen noch mehr Zucker in die Produkte packt“, meint auch Friedrich Hoppichler von der Österreichischen Adipositas Gesellschaft und Leiter im Spital der Barmherzigen Brüder. Auch wenn dem klare Zusagen der Industrie zur Reduktion des Zuckergehalts gegenüberstünden.
Fakt bleibt: Zucker ist zuletzt deutlich billiger geworden. Mit knapp über 300 Euro pro Tonne zahlte man am europäischen Terminmarkt in London Ende September den niedrigsten Preis seit zwei Jahren – und 40 Prozent weniger als ein Jahr zuvor. Dass in der EU mit 1. Oktober die Zuckerquote gefallen ist, dürfte den Trend in Europa noch beschleunigen. War bisher für die europäischen Rübenbauern die Anbaumenge klar begrenzt und ein Mindestpreis für Zuckerrüben festgesetzt, so ist der Markt seit dieser Woche liberalisiert. Und wie zuletzt beim Fall der Milchquote bringt das eine kräftige Steigerung der Produktion und damit fallende Preise.
Hart treffen werde das auch die 6500 heimischen Rübenbauern, hauptsächlich in Nieder- und Oberösterreich, aber auch im Burgenland und der Steiermark. „Dabei waren wir in Österreich klug genug, die Produktionsmengen nicht zu erhöhen“, sagt Ernst Karpfinger vom Interessenverband „Die Rübenbauern“. Damit freilich ist man ziemlich allein. Deutschland und Frankreich, die gemeinsam mehr als die Hälfte des gesamten Zuckers in der EU produzieren, haben ihre Flächen im Vorfeld des Quoten-Endes bereits heuer um über 20 Prozent erweitert. EU-weit dürfte das Plus bei 16 Prozent liegen.
Schon bei der derzeit laufenden Zuckerrübenernte dürfte das den heimischen Bauern Einbußen bringen, sagt Karpfinger. Um profitabler arbeiten zu können, werde nämlich in Österreich nicht mehr nur an 80 Tagen im Jahr aus Rüben Zucker erzeugt, sondern durch bessere Lagerung an bis zu 130 Tagen. „Das Problem der Zuckerindustrie ist, dass die Rübe nicht haltbar ist.“Damit werde nach einer Anzahlung aber auch der Preis für die Bauern erst bis Mitte nächsten Jahres festgelegt und ausbezahlt – und der hängt am europäischen Zuckerpreis.
„Geht die Tendenz weiter nach unten, ist es für heimische Bauern nicht mehr profitabel, Zuckerrüben anzubauen“, sagt Karpfinger. Schon in den vergangenen 20 Jahren habe sich diese Zahl halbiert, die Bauernregel von einst „Die Rübe zahlt alles“gelte längst nicht mehr.
Zuckerrüben anbauen kann ein Landwirt nur auf einem Viertel seiner Fläche, da in der Fruchtfolge nur jedes vierte Jahr Rüben gesteckt werden können. Gewechselt werde mit Mais, Getreide oder Soja. Für die Gesamtbilanz sei die Rübe wichtig, nicht nur weil es in der Rotation gut hineinpasse. „Ein Hektar Zuckerrüben erzeugt dreimal so viel Sauerstoff wie ein Hektar Wald.“
Das schlechte Image des Zuckers ärgert die Bauern sehr. „Nicht das Naturprodukt Zucker ist schlecht, sondern die Mengen, die manche essen“, sagt Karpfinger. Bisher kommt in Österreich so gut wie alles aus heimischer Produktion. Mit der Agrana, an der neben der deutschen Südzucker übrigens auch die heimischen Rübenbauern einen Anteil von etwa 13 Prozent halten, gibt es nur einen Hersteller. Nicht nur im Handel werde mit der Marke „Wiener Zucker“fast ausschließlich heimischer Zucker gekauft, auch in der Industrie, in die 80 Prozent der gesamten Zuckermenge fließen, ist der Anteil heimischer Ware bisher groß. Das freilich könne sich rasch ändern, meint Karpfinger, weil der Preis in diesem Bereich noch mehr zähle.
Während weltweit der Zuckerkonsum steigt, ist er in Österreich laut Statistik rückläufig: Von 37 Kilo pro Kopf im Jahr 2010 auf zuletzt 33 Kilo. Mit 90 Gramm pro Tag liegt man damit freilich weiter über der von der WHO empfohlenen Menge von 50 Gramm oder 12 Teelöffeln.
„Nicht Zucker ist schlecht, es ist die Menge.“Ernst Karpfinger, „Die Rübenbauern“