Mit Heynckes ist es kein Risiko
Deutschlands Fußball-Rekordmeister Bayern München setzt auf Jupp Heynckes als Übergangstrainer und nimmt damit den Kritikern schon jetzt den Wind aus den Segeln.
Drei Mal hat Jupp Heynckes Bayern München schon trainiert. Er kennt den Club in- und auswendig. 2013 führte der ehemalige Topstürmer den deutschen Rekordmeister mit dem Gewinn des Triples (Champions League, Meisterschaft, Cup) zum bisher größten Erfolg in der Vereinsgeschichte. Verlassen wollte Heynckes am Höhepunkt seiner Karriere dann die Bayern eigentlich nicht. Aber die Bosse der Münchner wollten Pep Guardiola holen. Der kam dann auch, gewann auch fünf nationale Titel. Nur die Königsklasse des Fußballs, die konnten die Bayern unter dem Spanier nicht gewinnen. Nun feiert der 72-jährige Heynckes wohl ein Comeback bei den Bayern. Vorerst einmal als Übergangslösung. Heynckes hat Gespräche über eine Rückkehr auf die Trainerbank bestätigt. „Ich muss aber noch alles analysieren.“Heynckes fühlt sich nach eigener Aussage trotz seines Alters noch „topfit“für die Aufgabe.
Dass die Bayern nach der Entlassung von Startrainer Carlo Ancelotti vorerst einmal keinen Neuaufbau wagen und auf einen gestandenen Trainer, der im Fußball schon alles erlebt hat, setzen wollen, kommt nicht überraschend und ist auch zu erklären.
Die Bayern benötigen in der aktuell angespannten Situation einen erfahrenen, unantastbaren Trainer. Heynckes kennt die Mechanismen beim Rekordmeister ganz genau und er wird zu den routinierten Starkickern einen guten Draht finden. Das bedeutet aber auch, dass sich von diesen keiner aufmucken trauen wird. Aufsehenerregende Erfolge garantiert zwar auch Heynckes nicht, aber selbst bei Niederlagen wird es niemand im Bayern-Präsidium und im Umfeld wagen, den Triplesieger anzugreifen oder zu kritisieren. Nur mit einer ganz starken Persönlichkeit an der Spitze, die im Fußball schon alles gewonnen hat, was es zu gewinnen gibt, kehrt wieder Ruhe ein.
Hätten die Bayern zum Beispiel einen Jungtrainer wie Julian Nagelsmann aus Hoffenheim geholt – wenn die Münchner es gewollt hätten, dann säße der 30-Jährige trotz Vertrags schon auf der Bank der Bayern – und wäre der ohne Erfolge geblieben, hätten die Bayern erneut reagieren und auch ihn wieder vorzeitig entlassen müssen. Bei Heynckes ist die Lage völlig anders.
Gewinnt der ehemalige Nationalspieler in Serie, dann ist ohnehin alles eitel Wonne. Stellt sich der erwartete Höhenflug nicht ein, dann werden alle den Analysen von Heynckes gebannt lauschen. Und keiner wird auch nur im Entferntesten auf die Idee kommen, seine Arbeit zu hinterfragen – gleichgültig, ob der 72-Jährige nun ein Laptoptrainer ist oder nicht. Der Fußball ist nun einmal mitunter ebenso unvorhersehbar wie verrückt. Bayern hat sich vorerst gegen eine langfristige Lösung entschieden, die nach Aufbruch klingt. Damit gehen die Münchner kein Risiko ein. Das ist nachvollziehbar. In der jetzigen Lage nach vielen Negativerlebnissen ist es wichtiger, dass vom ersten Tag an Ruhe und Vertrauen an der Säbener Straße einziehen. Auch weil die Fachkompetenz von Heynckes unbestritten ist. Gleichzeitig gewinnt die Bayern-Führung Zeit.
Julian Nagelsmann könnte dann nach Ende der Saison zum Thema werden. Oder ein ganz anderer Kandidat. Oder Jupp Heynckes will es noch einmal wissen. Auch das ist nicht komplett auszuschließen, so unvorhersehbar wie verrückt der Fußball mitunter oft ist. ALEXANDER.BISCHOF@SALZBURG.COM