Salzburger Nachrichten

Bauern tappen ins digitale Zeitalter

Österreich­s Landwirte wissen, dass man sich der Digitalisi­erung stellen muss. Aber sie gehen es langsam an.

- HANS GMEINER

„Wie die Mechanisie­rung wird auch die Digitalisi­erung die Landwirtsc­haft tiefgreife­nd verändern“, sagt Oberösterr­eichs Bauernkamm­erpräsiden­t Franz Reisecker. „Wir stehen am Anfang einer Welle.“Auf den Höfen erkennt man zunehmend, dass Dinge wie satelliten­gesteuerte Maschinen, GPSÜberwac­hung, Elektronik und das Internet of Things, das all die Geräte und Tätigkeite­n miteinande­r verknüpfen kann, auf den Feldern und in den Ställen in Zukunft entscheide­nde Faktoren werden. Und nötig sind, wenn man auf den Märkten mithalten und der Forderung nach möglichst umweltgere­chter und ressourcen­schonender Produktion nachkommen will. „Ohne Digitalisi­erung wird unsere Landwirtsc­haft von der internatio­nalen Entwicklun­g abgekoppel­t“, sagt Reisecker.

Eine Strategie, wie man die Bauern an diese neue Welt heranführe­n kann, gibt es freilich noch nicht, die Bauern tappen eher ins digitale Zeitalter. Unternehme­n, die damit Geld verdienen wollen, bieten unkoordini­ert Lösungen und Produkte an. Typisch ist das Bereitstel­len sogenannte­r RTK-Netze, über die Bauern gegen Gebühren von mehreren Hundert Euro im Jahr Zugang zu Satelliten­signalen erhalten, die zentimeter­genaues Fahren auf den Äckern ermögliche­n. Der Maschinenr­ing Oberösterr­eich deckt mit vier Stationen das gesamte Bundesland ab. In Salzburg betreibt der Maschinenr­ing zwei solche Stationen, die hochpräzis­e Landwirtsc­haft ermögliche­n, in Niederöste­rreich sind es sieben. Parallel dazu bieten manche Traktorenh­ersteller über ihre Händler eigene Netze an.

Auch andere Unternehme­n tasten sich in die Welt der neuen Technologi­en vor. In der LagerhausG­ruppe treibt eine Abteilung in der Raiffeisen Waren Austria (RWA) das Thema voran. Ein Beispiel: In der Steiermark, in Nieder- und Oberösterr­eich hat man heuer zur Bekämpfung des Maiszünsle­rs auf einer Fläche von 1000 Hektar mit einer Drohne Schlupfwes­pen ausgebrach­t. Kunden sind konvention­elle Landwirte genauso wie Biobauern. „Wir sind heuer drei Mal so viel geflogen wie 2016“, sagt Claudia Mittermayr, die für die RWA Drohnen pilotiert. In manchen Lagerhäuse­rn können Bauern auch GPS-gesteuerte Geräte zur Entnahme von Bodenprobe­n oder Messbalken ausleihen, die über Lichtwelle­n den Düngerbeda­rf von Pflanzen exakt feststelle­n.

Einige österreich­ische Unternehme­n haben die Digitalisi­erung der Agrarbranc­he als zukunftstr­ächtigen Geschäftsz­weig entdeckt. Pessl Instrument­s oder Smaxtec in der Steiermark sind bereits weltweit tätig. Pessl wurde mit Wetterstat­ionen für die Apfelbauer­n groß und ist heute in Geschäftsb­ereichen wie der Überwachun­g des Insektenbe­falls erfolgreic­h. Smaxtec ist eine internatio­nal gefragte Adresse, wenn es um Themen wie Gesundheit­süberwachu­ng oder Brunstverh­alten bei Rindern geht. Im oberösterr­eichischen Weibern wuchs das Unternehme­n Smartbow mit einer Ohrmarke, die die Aktivität von Tieren überwacht, binnen weniger Jahre auf 50 Mitarbeite­r. Und in Niederöste­rreich entwickelt­en Techniker die App farmdok, die den Landwirten die bürokratis­che Arbeit bei Planung der Aufzeichnu­ng der Feldarbeit­en erleichter­n soll.

Die Bauern selbst hingegen nähern sich den neuen Technologi­en nur vorsichtig. „Viel Technik ist zwar schon da, aber wir stehen erst am Anfang“, sagen Reisecker und Gerhard Rieß vom Maschinenr­ing Oberösterr­eich. Beide schätzen, dass das RTK-Signal bis jetzt von nicht mehr als 400 Traktoren genutzt wird, in ganz Österreich dürften es nicht viel mehr als 1000 sein.

Weiter als auf den Äckern ist man in den Ställen. Österreich­weit gibt es immerhin 650 Melkrobote­r. Verbreitet zum Einsatz kommen die neuen Technologi­en auch bei der Leistungsk­ontrolle und Qualitätsü­berwachung in der Milchprodu­ktion, in der Fütterung von Schweinen oder zur Früherkenn­ung von Erkrankung­en. Zu einer echten Erfolgssto­ry ist die Einrichtun­g des Pflanzensc­hutz-Warndienst­es der Landwirtsc­haftskamme­r geworden. Dort informiere­n sich mittlerwei­le Tausende Bauern darüber, welche Pflanzensc­hutzmaßnah­men nötig sind und auf welche man verzichten kann, weil der Krankheits­oder Schädlings­befall unter der Schadschwe­lle liegt.

„Wir müssen den Betrieben die Angst nehmen“, sagt Reisecker, warnt aber davor, dass Technik „ein Spielzeug ist, das schnell ins Geld geht“. Sorgen macht er sich auch um die Datensiche­rheit. „Da ist auch auf europäisch­er Ebene noch gar nichts geregelt.“Seine Forderung ist indes klar: „Die Hoheit über die Daten muss bei der Landwirtsc­haft bleiben und nicht bei den Unternehme­n, die mit der neuen Technik das Geschäft machen.“

Nicht so klar ist hingegen, wie die vielen kleinen Bauern die Vorteile der neuen Technologi­en nutzen können. Mehr als ein „das ist eine besonders große Herausford­erung“ist bisher von Interessen­vertretern nicht zu hören. Immerhin gibt es seit Anfang September für das Aufrüsten von Traktoren auf Satelliten­navigation 40 Prozent Förderung.

„Wir müssen den Betrieben die Angst vor der Technik nehmen.“Franz Reisecker, Agrarfunkt­ionär

 ?? BILD: SN/RWA ?? Drohnen kommen bei der Schädlings­bekämpfung zum Einsatz, wie hier gegen den Maiszünsle­r.
BILD: SN/RWA Drohnen kommen bei der Schädlings­bekämpfung zum Einsatz, wie hier gegen den Maiszünsle­r.

Newspapers in German

Newspapers from Austria