Kamera filmte tragischen Unfall in Puch
Ein Überwachungsvideo zeigt: Die Mutter stand mit dem Kinderwagen nicht zu nah an den Gleisen. Fuhr der Güterzug zu schnell durch den Bahnhof?
Auf einer Sitzbank beim Pucher Bahnhof flackern Kerzen. Passanten stellen Blumen daneben und wischen sich die Tränen aus dem Gesicht. Ein kleines Mädchen legt ein Stofftier und eine Kastanie auf die Sitzbank. Eine Frau kniet sich weinend nieder. Ganz Puch ist am Tag nach dem tragischen Unfall, der einem Kleinkind das Leben gekostet hat, in tiefer Trauer.
Wie berichtet, hatte der Luftsog eines vorbeifahrenden Güterzugs am Mittwoch einen Kinderwagen umgerissen. Ein einjähriges Mädchen wurde aus dem Wa- gen geschleudert und erlitt tödliche Verletzungen. Die genauen Umstände des Unglücks sind noch ungeklärt. Fest steht jedoch: Die Mutter ist mit dem Kinderwagen nicht zu nah an den Gleisen gestanden. Das zeigen Bilder der Überwachungskamera eines Lokals, das sich unmittelbar neben dem Bahnhof befindet. Der Besitzer des Restaurants stellte der Polizei die Bilder zur Verfügung. „Das Video zeigt den Unfall recht deutlich“, sagt Polizeisprecher Hans Wolfgruber.
Demnach saß die 24-jährige Mutter mit ihrem Sohn auf einer Sitzbank am Bahnsteig – und damit einige Meter von den Gleisen entfernt. Den Kinderwagen hatte die Tennengauerin neben sich. Ihr dreijähriger Sohn stand auf, die Frau wandte sich dem Kleinen zu. „In diesem Moment fuhr ein Güterzug durch und der Kinderwagen setzte sich wohl durch den Fahrtwind in Bewegung“, sagt Wolfgruber. Danach sei der Wagen durch die Luft gewirbelt worden. „Es könnte sein, dass der Wagen dabei einen Zugwaggon berührt hat.“Dann schlug der Kinderwagen auf dem Bahnsteig auf und das Mädchen fiel hinaus.
War das Kleinkind angeschnallt? Versuchte die Mutter den Kinderwagen festzuhalten? War er mit einer Bremse fixiert? Auf all diese Fragen gibt es noch keine Antworten. „Verständlicherweise haben wir die Frau noch nicht befragt“, sagt der Polizeisprecher. Die 24-Jährige war jedenfalls mit einem „Geschwis-
ter-Buggy“unterwegs. Derartige Modelle haben zwei Sitzplätze und sind deutlich schwerer als herkömmliche Kinderwagen. Aber: „Dadurch ist natürlich der Luftwiderstand größer“, sagt Wolfgruber.
Der Lokführer des Güterzugs konnte noch nicht befragt werden. „Es ist fraglich, ob er den Unfall überhaupt mitbekommen hat“, sagt Wolfgruber. Der Zug selbst befindet sich in Bayern. Polizisten untersuchten ihn bereits.
Güterzüge dürfen in Österreich mit einer Maximalgeschwindigkeit von 100 km/h unterwegs sein. Je nach den Gegebenheiten können Güterzüge auch Bahnhöfe in diesem Tempo durchfahren. In Puch ist dies erlaubt. Die ÖBB gehen davon aus, dass der Lokführer die Höchstgeschwindigkeit am Mittwoch nicht überschritten hat.
Sollte es ein Tempolimit an Bahnhöfen geben? ÖBB-Sprecher Christoph Gasser-Mair möchte auf SN-Anfrage dazu momentan keine konkreten Angaben machen. „Für uns steht die Klärung der Unfallursache im Vordergrund und nicht die Geschwindigkeitsdiskussion.“Unmittelbare Konsequenzen werde es nach dem Unfall nicht geben.