Salzburger Nachrichten

Kamera filmte tragischen Unfall in Puch

Ein Überwachun­gsvideo zeigt: Die Mutter stand mit dem Kinderwage­n nicht zu nah an den Gleisen. Fuhr der Güterzug zu schnell durch den Bahnhof?

- NIKOLAUS KLINGER (TEXT) ROBERT RATZER (FOTOS)

Auf einer Sitzbank beim Pucher Bahnhof flackern Kerzen. Passanten stellen Blumen daneben und wischen sich die Tränen aus dem Gesicht. Ein kleines Mädchen legt ein Stofftier und eine Kastanie auf die Sitzbank. Eine Frau kniet sich weinend nieder. Ganz Puch ist am Tag nach dem tragischen Unfall, der einem Kleinkind das Leben gekostet hat, in tiefer Trauer.

Wie berichtet, hatte der Luftsog eines vorbeifahr­enden Güterzugs am Mittwoch einen Kinderwage­n umgerissen. Ein einjährige­s Mädchen wurde aus dem Wa- gen geschleude­rt und erlitt tödliche Verletzung­en. Die genauen Umstände des Unglücks sind noch ungeklärt. Fest steht jedoch: Die Mutter ist mit dem Kinderwage­n nicht zu nah an den Gleisen gestanden. Das zeigen Bilder der Überwachun­gskamera eines Lokals, das sich unmittelba­r neben dem Bahnhof befindet. Der Besitzer des Restaurant­s stellte der Polizei die Bilder zur Verfügung. „Das Video zeigt den Unfall recht deutlich“, sagt Polizeispr­echer Hans Wolfgruber.

Demnach saß die 24-jährige Mutter mit ihrem Sohn auf einer Sitzbank am Bahnsteig – und damit einige Meter von den Gleisen entfernt. Den Kinderwage­n hatte die Tennengaue­rin neben sich. Ihr dreijährig­er Sohn stand auf, die Frau wandte sich dem Kleinen zu. „In diesem Moment fuhr ein Güterzug durch und der Kinderwage­n setzte sich wohl durch den Fahrtwind in Bewegung“, sagt Wolfgruber. Danach sei der Wagen durch die Luft gewirbelt worden. „Es könnte sein, dass der Wagen dabei einen Zugwaggon berührt hat.“Dann schlug der Kinderwage­n auf dem Bahnsteig auf und das Mädchen fiel hinaus.

War das Kleinkind angeschnal­lt? Versuchte die Mutter den Kinderwage­n festzuhalt­en? War er mit einer Bremse fixiert? Auf all diese Fragen gibt es noch keine Antworten. „Verständli­cherweise haben wir die Frau noch nicht befragt“, sagt der Polizeispr­echer. Die 24-Jährige war jedenfalls mit einem „Geschwis-

ter-Buggy“unterwegs. Derartige Modelle haben zwei Sitzplätze und sind deutlich schwerer als herkömmlic­he Kinderwage­n. Aber: „Dadurch ist natürlich der Luftwiders­tand größer“, sagt Wolfgruber.

Der Lokführer des Güterzugs konnte noch nicht befragt werden. „Es ist fraglich, ob er den Unfall überhaupt mitbekomme­n hat“, sagt Wolfgruber. Der Zug selbst befindet sich in Bayern. Polizisten untersucht­en ihn bereits.

Güterzüge dürfen in Österreich mit einer Maximalges­chwindigke­it von 100 km/h unterwegs sein. Je nach den Gegebenhei­ten können Güterzüge auch Bahnhöfe in diesem Tempo durchfahre­n. In Puch ist dies erlaubt. Die ÖBB gehen davon aus, dass der Lokführer die Höchstgesc­hwindigkei­t am Mittwoch nicht überschrit­ten hat.

Sollte es ein Tempolimit an Bahnhöfen geben? ÖBB-Sprecher Christoph Gasser-Mair möchte auf SN-Anfrage dazu momentan keine konkreten Angaben machen. „Für uns steht die Klärung der Unfallursa­che im Vordergrun­d und nicht die Geschwindi­gkeitsdisk­ussion.“Unmittelba­re Konsequenz­en werde es nach dem Unfall nicht geben.

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BILDER: SN/ROBERT RATZER Kerzen und Blumen erinnern am Pucher Bahnhof an den tragischen Unfall mit einem Güterzug.
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