Steuersenkung trotz immer neuer Schulden
Allen ehrgeizigen Entlastungsplänen steht entgegen: Das Budget ist noch nicht saniert.
Der Ruf nach Steuersenkungen hallt durch Österreich. Fast alle Parteien versprechen den Bürgerinnen und Bürgern niedrigere Steuern. Nach Ansicht von Experten wäre dies auch dringend notwendig. Sowohl die Abgabenquote als auch die steuerliche Belastung des Faktors Arbeit sind in Österreich im internationalen Vergleich zu hoch. Am großzügigsten sind die Neos, die die Staatsausgaben gleich um 19 Milliarden Euro senken wollen, bei der SPÖ sind es immerhin noch fünf Milliarden.
Ein Blick aufs Budget zeigt allerdings, dass Österreich sich diese Steuersenkungen erst verdienen muss. Im Jahr 2016 nahm der Bund immer noch knapp fünf Milliarden neue Schulden auf, um seine Ausgaben finanzieren zu können. Auch die Staatsschulden liegen noch immer bei mehr als 80 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Erlaubt wären nach EU-Regeln lediglich 60 Prozent. Nach dem derzeitigen Budgetplan würde das österreichische Budget erst im Jahr 2021 einen kleinen Überschuss aufweisen.
Steuersenkungen müssten daher mit einer Aufgabenreform und einer soliden Gegenfinanzierung auf den Weg gebracht werden, sagt die Budgetexpertin des Wifo, Margit Schratzenstaller. Dass sie notwendig sind, darüber gebe es jedenfalls keinen Zweifel.
WIEN. Österreichs Politik hat das Geld abgeschafft. Zu diesem Schluss könnte man kommen, wenn man sich die Steuerpläne ansieht, die die Parteien im Wahlkampf präsentiert haben. Die SPÖ will die Abgabenlast um fünf Milliarden Euro senken, die ÖVP gleich um etwa zwölf Mrd. Euro, die FPÖ um ebenfalls zwölf Mrd. Euro, die Neos um nicht weniger als 19 Mrd. Euro. Allein die Grünen sagen, dass das Geld, das trotz Reformen frei wird, anderswo gebraucht werden könnte, etwa für die Finanzierung der Pflege.
Die hochfliegenden Pläne der Parteien muten seltsam an, wenn man einen Blick auf den Rechnungsabschluss des Bundesbudgets für das Jahr 2016 wirft. Denn von einem sanierten Haushalt oder gar von Überschüssen wie in Deutschland ist man in Österreich weit entfernt. Dies trotz guter Konjunktur und Niedrigzinsen, die zurzeit die Bedienung der Staatsschulden erheblich verbilligen.
Österreich musste im Jahr 2016 knapp fünf Mrd. Euro neue Schulden aufnehmen, um seinen Haushalt von etwa 76,5 Mrd. Euro finanzieren zu können. Die Verschuldung des Staates betrug 295 Mrd. Euro und liegt damit deutlich über der in der EU vereinbarten Schuldenobergrenze von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP).
Die Budgetexpertin des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo), Margit Schratzenstaller, hat eine klare Meinung zu all den Steuervorschlägen. Die Pläne für die Steuersenkung seien relativ konkret, die Pläne, wie das alles finanziert werden soll, hingegen relativ vage. „Eine solide Gegenfinanzierung gibt es eigentlich nicht“, sagt sie. Dazu kommt, dass die Sanierung des Budgets auch mithilfe der guten Konjunktur voranschreite, aber erst im Jahr 2021 ein kleiner Überschuss (plus 0,3 Prozent) im Haushalt geplant sei. Und auch der müsse erst finanziert werden.
Die Ziele, die die Politik im Auge hat, seien jedenfalls richtig, sagt Schratzenstaller. Die Senkung der Abgabenquote, die Entlastung des Faktors Arbeit und eine Durchforstung der Ausgaben werden schon lange diskutiert. „Was nicht passieren sollte, ist, die Steuern zu senken, ohne zu wissen, wie das finanziert werden soll“, sagt sie. Ihrer Meinung nach wäre es sinnvoll, erst zu diskutieren, welche Aufgaben der Staat in Zukunft erbringen soll und vor allem wie. Die Stichworte dazu sind bekannt: Föderalismusund Verwaltungsreform. Die Zuständigkeiten zwischen den Gebietskörperschaften gehörten endlich geklärt, sagt Schratzenstaller. Wie viel Geld dadurch wirklich gespart werden kann, könne aber niemand seriös sagen. Und es sei si- cher ein langfristiges Projekt, das nicht innerhalb kurzer Zeit Milliarden Euro bringe. Schratzenstaller plädiert daher für ein Gesamtpaket, in dem alle Probleme gleichzeitig behandelt werden. „Wenn die Belastung für den Faktor Arbeit gesenkt wird, dann muss man gleichzeitig auch klären, ob und welche anderen Steuern es als Ersatz geben muss“, sagt sie. Denkbar wären et- wa Öko-Steuern oder auch Vermögenssteuern. Bei all diesen Plänen müsse man auch bedenken, dass sich der Staat Österreich bei der Erstellung des Budgets auch an die vereinbarten Regeln in der EU halten muss. Dies bedeutet, dass die Neuverschuldung nicht mehr als drei Prozent des BIP betragen und die Schuldenquote nicht auf mehr als 60 Prozent des BIP steigen darf.