Zwei Nationalisten auf dem Weg nach nirgendwo
Politik ist die Kunst, den Frieden zu wahren. Spaniens Regierungschef und sein katalanischer Kollege haben versagt.
Carles Puigdemont, Regierungschef in Katalonien, hat in seiner mit Spannung erwarteten Rede vor dem Regionalparlament die Ausrufung der Unabhängigkeit verschoben. Im Bemühen, das Problem zu lösen, das er selbst mitverursacht hat, muss er auf Zeit spielen. Möglich, dass sich noch eine Gesprächsbasis zwischen Madrid und Barcelona findet. Hoffentlich, ist beizufügen. Mit den führenden Köpfen dürfte das jedoch wenig aussichtsreich sein.
Mariano Rajoy, Chef einer konservativen Minderheitsregierung in Madrid, ist zwar Überlebenskünstler. Seine Partei und er selbst stecken in einer Serie geradezu unglaublicher Korruptionsskandale, die ihn in jedem anderen europäischen Land längst das Amt gekostet hätten. Doch gerade deswegen fehlen ihm Glaubwürdigkeit und Handlungsfähigkeit. Seine verstockte Verweigerung jedes Dialogs mit den Katalanen und sein Rückzug auf einen formellen Rechtsstandpunkt haben die Krise angeheizt – wie es im Übrigen von der Truppe Puigdemonts geplant und in Kauf genommen worden ist. Rajoy ist verantwortlich für Szenen, die eine Schande für eine europäische Demokratie sind. Schwer gerüstete Spezialeinheiten der Polizei prügelten auf friedliche Bürger ein. Hunderte Menschen wurden verletzt. Doch Schlägertrupps, auch wenn sie in Uniform sind, können nie für Recht sorgen. Ihr Einsatz ist ein Missbrauch der Verfassung, deren Gebot der nationalen Einheit Rajoy angeblich so heilig ist.
Carles Puigdemont auf der anderen Seite ist ein ebenso unerbittlicher Nationalist, nur innerhalb engerer, weil katalanischer Grenzen. 2016 mit nicht einmal der Hälfte der Stimmen gewählt und in Koalition mit linksextremen Separatisten, steuert er einen beinharten Eskalationskurs. Weder verfügt er über ein Mandat für eine einseitige Unabhängigkeitserklärung, die in Wahrheit auf eine Selbstverzwergung Kataloniens außerhalb der EU hinauslaufen würde, noch kann das Referendum mit seiner niedrigen Wahlbeteiligung von knapp über 40 Prozent als Rechtfertigung dienen.
Alles deutet darauf hin, dass die Mehrheit in Katalonien und auch im restlichen Spanien den Weg der Vernunft und des Verstandes bevorzugen würde: Verhandlungen über ein neues Autonomiestatut, Möglichkeit eines Referendums über eine Unabhängigkeit im Einvernehmen und schließlich Abstimmung. Katalonien würde bei Spanien bleiben.
Rajoy und Puigdemont, diese beiden blinden Nationalisten, müssten nur zurücktreten, um den Weg frei zu machen.