Sensationsfund der Römer in Neumarkt
Eine archäologisch einzigartige Figur zeigt, dass die Römer auf ihrem Gutshof bei Salzburg wirtschaftlich sehr potent waren.
Eine archäologisch einzigartige Figur zeigt, dass die Römer auf ihrem Gutshof bei Salzburg wirtschaftlich sehr potent waren. Die Plastik aus Buntmetall ist die derzeit einzige aus der Römerzeit erhaltene dreidimensionale Darstellung einer in der Antike sehr bekannten Szene: Thetis steckt ihren Sohn Achilles in den Fluss Styx, damit er unverwundbar wird.
Seine Augen schimmern noch. Oder sind es ihre? So genau lässt sich das nicht sagen, denn der Oberkörper scheint männlich zu sein, aber die Frisur ist weiblich. Vielleicht hat es aber auch der Handwerker damals nicht besser hinbekommen, als er das sechs Zentimeter große Figürchen schuf.
Die Archäologen Raimund Kastler und Felix Lang sowie Restaurator Maximilian Bertet wollen aber keinen Stab über die Kunstfertigkeit des unbekannten Meisters brechen. Er hat auch so ihre Augen zum Leuchten gebracht.
Mit Sensationsmeldungen sind Forscher üblicherweise vorsichtig, doch in diesem Fall ist es angebracht, den Fund so einzustufen: Denn die Plastik aus Buntmetall, die einst versilbert war – was man an den Augen noch erkennen kann –, ist die derzeit einzige aus der Römerzeit erhaltene dreidimensionale Darstellung einer in der Antike sehr bekannten Szene: Thetis, die schöne Meeresnymphe, die dafür sorgte, dass das Mittelmeer ruhig und friedlich blieb, hat ihren Sohn Achilles gepackt und hält ihn kopfüber in den Fluss Styx, um ihn unverwundbar zu machen. Die Stelle an der Ferse, an der sie Achilles mit der Hand hält, blieb jedoch vom Wasser des Flusses unbenetzt und wird so zu seiner verwundbaren Stelle – der Achillesferse.
„Diese Szene kennen wir sonst nur von bildlichen Darstellungen. Hier wurde sie wohl für einen Möbelbeschlag verwendet. Ein solches Stück wurde bis jetzt noch nirgendwo im deutschen Sprachraum gefunden“, sagt der Salzburger Landesarchäologe Raimund Kastler.
Die Figur gehört zu den vielen wissenschaftlich wertvollen Funden, die er zusammen mit seinen Kollegen in Neumarkt-Pfongau bis jetzt ausgegraben hat. Dort, wo sich heute ein Gewerbegebiet erstreckt, saßen einst die Römer. Ihr Imperium hatte sich unter der 40 Jahre währenden Friedensherrschaft des Kaisers Augustus, der von 63 vor Christus bis 14 nach Christus lebte, weithin ausgedehnt.
Die Römer beherrschten die Alpenpässe, die die Verbindung zwischen Rom und den Grenztruppen im Norden sicherstellten. Juvavum, heute Salzburg, war für sie der optimale Platz, um eine Stadt samt Brücke über den Fluss anzulegen, denn der Ort lag am Straßenknotenpunkt von Süden nach Norden über die Tauern und bildete im Osten eine Verbindung zur Donau, die nicht nur Handelsweg, sondern auch die nasse Grenze des Reiches war. Im Westen konnte man von Juvavum aus Augsburg erreichen. Dort war Militär stationiert.
Städte und Truppen galt es zu versorgen. Neumarkt-Pfongau im heutigen nordöstlichen Flachgau lag in einem ländlichen Gebiet, in dem schon die Kelten ihre Selbstversorgerhöfe betrieben hatten. Die Römer planten eine Nummer größer und errichteten hier entlang der Route nach Ovilava/Wels eine landwirtschaftliche Produktionsstätte. Die Reste einer solchen „Villa rustica“wurden bereits im 19. Jahrhundert entdeckt. Zwischen 1956 und 1980 ging vieles davon durch Flurbereinigung verloren. Rettungsgrabungen des Salzburg Museums beim Bau des Gewerbegebiets 1988/89 legten drei Wirtschaftsbauten und ein teilweise erhaltenes Wohngebäude frei. Durch eine 2001 von Fachleuten der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik durchgeführte geophysikalische Prospektion mit Geomagnetik und Bodenradar wurden weitere Gebäude geortet. Seit 2008 graben jeden Sommer auf dem Gelände die Archäologen.
Zu ihnen gehört Felix Lang. Er ist an der Universität Salzburg Spezialist für antike Wirtschaft, Landwirtschaft und altes Handwerk: „Die Betriebe waren große Einzelgehöfte, meist von einer Hecke zum Schutz gegen wilde Tiere umfriedet und von den Ackerflächen umgeben. Die Römer haben dafür Wald gerodet. In der Landwirtschaft war eine Art Dreifelderwirtschaft bekannt. Verteidigt werden mussten die Gehöfte in der Blütezeit nicht. Das änderte sich erst mit den Einfällen der Markomannen. In Neumarkt haben wir ein Schwert gefunden, das darauf hindeuten könnte.“
Der Gutshof in Neumarkt umfasst mehrere Wirtschaftsgebäude aus Stein. Dazu gehören eine Werkhalle für Geräte und Reparaturen, vermutlich zwei Schmieden, drei Ziegelbrennöfen für Eigenbedarf und Handel, ein Turmspeicher für das Getreide, eine Darre zum Trocknen von Früchten, Getreide und Fleisch sowie schlicht eingerichtete Unterkünfte für Arbeiter. Die Archäologen haben außerdem drei mit Lehm ausgekleidete Öfen freigelegt, die als Backöfen dienten: „Der Bäcker stand in einer Grube und heizte den Ofen an, räumte dann die glühende Asche aus und nutzte den heißen Lehm“, sagt Felix Lang. Einer der Öfen hatte ein noch besseres System, wie Raimund Kastler erklärt: „Er wurde über eine Feuerstelle unten beheizt und darüber wurde unter einer Lehmglocke das Brot gebacken. Das System finden wir heute noch in der Stiftsbäckerei von St. Peter. Aus den Holzkohlenstücken, die wir entnommen haben, werden wir jetzt das genaue Alter bestimmen.“
Im vergangenen Sommer untersuchten die Wissenschafter den Teil eines Hauses, der nicht vom Straßenbau zerstört worden war. Aus den möglicherweise zwei bis drei Räumen kam grünliches Fensterglas zutage, was darauf hindeuten könnte, dass es ein bewohntes Gebäude war. „Uns fehlen noch das für eine Villa rustica übliche Wohnhaus und das Gebäude des Verwalters. Vielleicht ist dieser Rest Teil des Verwaltergebäudes gewesen, denn Fensterglas wurde nur in gehobenen Bereichen verwendet. Mit Sicherheit sagen können wir das aber noch nicht“, sagt Raimund Kastler. Zu sehen waren zudem Holzreste einer Türschwelle, Türnägel, Türangeln und Beschläge. Sogar der Schlüssel dieser Tür lag noch da.
Die Forschungsarbeiten in Neumarkt-Pfongau werden in einer Kooperation zwischen der Landesarchäologie am Salzburg Museum, dem Fachbereich Altertumswissenschaften der Universität Salzburg, dem Museum Fronfeste Neumarkt und der Stadt Neumarkt am Wallersee mit Bürgermeister Adolf Rieger durchgeführt. Im Museum Fronfeste findet nächstes Jahr eine Ausstellung über die Arbeit der Archäologen statt. Zur ländlichen Besiedlung in Nordwest-Noricum ist unter diesem Titel ein Forschungsband erschienen, der von Raimund Kastler, Felix Lang und Stefan Traxler (Landesarchäologe Oberösterreich) herausgegeben wurde (Reihe Schriften zur Archäologie der Paris-Lodron-Universität, Band 8). Er ist für Fachleute und Laien interessant und wird am 6. November um 18.30 Uhr im Haus für Stadtgeschichte Salzburg präsentiert.