Menasse betont Europa der Regionen
Der Schriftsteller Robert Menasse erklärt im SN-Interview, dass Kataloniens Ruf nach Autonomie im Einklang mit der Europa-Idee stehe. Für den österreichischen Autor, der am Montag mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet wurde, müsse das europäische Projekt nationale Egoismen überwinden.
Mit Amüsement reagierte das Auditorium, als Robert Menasse jüngst im Literaturhaus Salzburg Passagen aus seinem neuen Roman „Die Hauptstadt“(Suhrkamp Verlag, Berlin 2017) vortrug. Hausherr Tomas Friedmann hatte dieses Buch zuvor als Menasses bisher besten Roman gerühmt. Ähnlich positiv, bisweilen begeistert urteilten bis jetzt viele Literaturkritiker. So war es keine ganz große Überraschung mehr, als der Deutsche Buchpreis für den besten Roman des Jahres kurz vor dem Beginn der Frankfurter Buchmesse an Robert Menasse vergeben wurde. Es ist der erste Roman über die Europäische Union und die EUHauptstadt Brüssel. Den Anstoß zu diesem ungewöhnlichen Schreibprojekt gab nach Menasses Worten seine Beobachtung, dass zum ersten Mal in der Geschichte von einer einzigen Stadt aus die Lebensbedingungen des ganzen Kontinents bestimmt werden. Die EU produziere ja Richtlinien, die von Coimbra in Portugal bis Riga in Lettland gelten. Der österreichische Schriftsteller wollte wissen, „wie dieses System funktioniert“, und außerdem herausfinden, ob die „Eurokraten“tatsächlich literaturtauglich, also Vorlage für Romanfiguren sein könnten. Menasses Intention war es, sich ein eigenes Bild von der EU zu machen. Er zog nach Brüssel, startete eine intensive Recherche. Zuerst breitete der Autor die dabei gewonnenen Einsichten in seinem Essay „Der Europäische Landbote“(2012) aus; er avancierte zum begehrten Europa-Redner. Jetzt legt er die erzählerische Zusammenfassung seiner EU-Sicht vor. Mit Wortwitz und effektvollem Plot wird hier ein spröder Stoff für ein größeres Publikum vergnüglich aufbereitet. Wolfgang Koeppen hat in seinem Roman „Das Treibhaus“(1953) die Bonner Republik geschildert. Menasses Roman ist ein Kaleidoskop der viel größeren EU-Welt – engagiert proeuropäisch, aber auch kritisch-nachdenklich.