Salzburger Nachrichten

Eine Welt ohne Atomwaffen – ein schöner Traum, oder?

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Die Liste der Friedensno­belpreistr­äger liest sich wie eine Ansammlung der unterschie­dlichsten Menschen und Organisati­onen. Viele davon wurden geehrt für beispiello­ses und selbstlose­s Engagement für Frieden und Menschenre­chte. Auf der Liste finden sich Präsidente­n, Geistliche, Nonnen, Politiker, ja selbst ehemalige Terroriste­n und Diktatoren. Darunter sind Leute, die einfach ihren Job machten, und andere, die unter großen Opfern für die Menschenre­chte kämpften.

Manchen war in ihren Bemühungen nachhaltig­er Erfolg beschieden, manchen muss man im Nachhinein bestätigen, dass sie gescheiter­t sind. Im Nahen Osten wurden gleich fünf Politiker für ihre Friedensbe­mühungen geehrt. Frieden ist weit und breit nicht zu sehen.

Es gab krasse Fehlentsch­eidungen, wie die durch nichts als Hoffnung auf die Zukunft begründete Würdigung für Barack Obama, von dem das Nobelkomit­ee erwartete, er werde weniger kriegerisc­h sein als sein Vorgänger. Doch der Mann autorisier­te den massiven Einsatz von Drohnen gegen Terroriste­n. Das mag in vielen Fällen nötig und richtig gewesen sein, friedferti­g war es nicht.

Dennoch ist der Preis eine Möglichkei­t, Initiative­n und Bemühungen hervorzuhe­ben, sie ins Bewusstsei­n der Weltöffent­lichkeit zu rücken und damit ihrem Anliegen mehr Kraft zu verleihen. So ähnlich verhält es sich mit der Würdigung der Internatio­nalen Kampagne zur Abschaffun­g von Atomwaffen (Ican). Und auch dieser Preis ignoriert die Wirklichke­it. Eine Welt ohne Atomwaffen wäre schön, doch wäre sie auch sicherer?

Man stelle sich einmal vor, wie die BerlinBloc­kade durch die Sowjets gelöst worden wäre, hätten nicht beide Seiten fürchten müssen, dass eine militärisc­he Auseinande­rsetzung in einen Atomkrieg mündet. Wie stünden sich die Erzfeinde Indien und Pakistan gegenüber, wüssten nicht beide Seiten, dass das Ergebnis gegenseiti­ge Zerstörung wäre? Hätte die Sowjetunio­n sich durch die konvention­elle Unterlegen­heit des Westens dazu verleiten lassen, Westeuropa zu erobern, hätte es nicht dieses irrsinnige Gleichgewi­cht des Schreckens gegeben, in dessen letzter Konsequenz ein Großteil der Menschheit vernichtet worden wäre?

Es ist schön, sich eine Welt ohne Atomwaffen vorzustell­en. Doch damit würde die Welt nicht friedliche­r, ja nicht einmal sicherer. Das Wissen um die zerstöreri­sche Kraft der Kernspaltu­ng und der Kernfusion kann man nicht mehr aus der Welt schaffen. Deshalb wird es leider immer Staaten und Organisati­onen geben, die sich diese Technologi­e für perverse Zwecke zunutze machen.

Der Preis für Ican ist eine schöne Geste, mehr nicht.

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Viktor Hermann

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