Ein Hardliner im Gentleman-Gewand macht May Konkurrenz
Der neue Superstar der britischen Konservativen ist Jacob Rees-Mogg, ein erzkonservativer Hinterbänkler.
LONDON. Bei den konservativen Tories herrscht derzeit Chaos und es scheint nur eine Frage der Zeit zu sein, bis Premierministerin Theresa May gehen muss. Doch wer wird ihr nachfolgen? Tatsächlich fällt seit einigen Wochen immer häufiger der Name Jacob Rees-Mogg.
Es ähnelt einer Zeitreise ins England Mitte des 19. Jahrhunderts, wenn man vor diesem großen, schlaksigen Briten steht, der im Zweireiher und mit näselnder Stimme von ebendiesen alten Zeiten schwärmt. Jacob Rees-Mogg macht das mit viel Charme und einer Höflichkeit, die nur ein Engländer so perfektioniert haben kann. Der Politiker malt dann eine Zukunft des Königreichs, die an die Vergangenheit erinnert. Er wählt dabei solch affektierte Worte, dass seine erzkonservativen Ansichten fast untergehen.
Der 48-Jährige unterstützt und wirbt für einen harten Brexit, ist Trump-Anhänger und als gläubiger Katholik kategorisch gegen gleichgeschlechtliche Ehe und Abtreibung, selbst nach Vergewaltigungen und Inzest. Seine Erklärung? Er sei eben kein moderner Mann.
Dafür gilt der Parlamentarier als der neue Star der gebeutelten und frustrierten Konservativen, die sich wieder in innerparteilichen Streits um die Führung verfangen haben. Eine schwache Premierministerin und etliche Tories, die mit gewetzten Messern auf ihre Chance warten, sorgen täglich für Schlagzeilen.
Der bei der Basis beliebte ReesMogg übt sich in Geduld. Immer wieder erklärt er, überhaupt keine Ambitionen zu haben, Premierminister zu werden. Das wiederum ist das deutlichste Zeichen dafür, dass er sehr wohl welche hat.
Der Erzkonservative könnte bei einem Wechsel an der Spitze demnächst ins Kabinett gerufen werden, spekulieren Beobachter. Jene vier Tage beim Jahrestreffen der Tories in Manchester vergangene Woche dürften ihn jedenfalls ermuntert haben. Junge Konservative folgten ihm auf Schritt und Tritt und wollten Selfies, als wäre der 48-Jährige der Heilsbringer. Bei Veranstaltungen und Diskussionsrunden, zu denen er angekündigt war, drängelten sich Stunden zuvor die für ihre Disziplin beim Schlangestehen berühmten Briten in die Säle.
Rees-Mogg, auf eine exzentrische Weise reaktionär, ist für viele Konservative das Pendant zu Jeremy Corbyn von der oppositionellen Labour-Partei, der für seine sozialistischen Ideen wie ein Popstar bejubelt wird. Zwar begegnet ReesMogg Kritikern ohne Berührungsängste, wie beim Parteitag, als Protestler eine Veranstaltung unterbrachen und er das Gespräch suchte. Doch Bürgernähe liegt ihm nicht.
Als der einstige Investmentbanker zum ersten Mal fürs Unterhaus kandidierte, ging er mit Luxuslimousine und Haushälterin auf Wahlkampftour. Erst kürzlich wurde er zum sechsten Mal Vater und gab seinem Sohn den Namen Sixtus Dominic Boniface Christopher. Auf dem veröffentlichten Familienfoto standen keineswegs die Eltern im Mittelpunkt, sondern in viktorianischer Tradition die Nanny.
Aus diesen altmodischen Eigenarten speist sich „Moggmentum“– authentisch und unterhaltend. Auf Nachfrage gibt er zu, noch nie gekocht oder Windeln gewechselt zu haben. Dafür twittert der Gentleman mit Nickelbrille und Ausbildung an den Eliteschmieden Eton und Oxford gern einmal auf Latein.
Ein großer Witz? Jahrelang wurde Rees-Mogg als komischer Kauz verspottet. Heute lacht keiner mehr.