Strache im neuen Kleid
Wie sich die FPÖ durch gezieltes Wohlverhalten regierungsfähig machen will.
Im Gefecht des Wahlkampfs kann er dann doch nicht immer aus seiner Haut heraus. Und wahrscheinlich will er das auch nicht. Dann nennt er Sebastian Kurz einen „Ohrwaschelkaktus“, wie die „Kleine Zeitung“dieser Tage von einem Wahlkampfauftritt in Bad Gastein berichtete. Dann verteidigt er eine zurückhaltend geführte TV-Debatte mit Kanzler Kern mit den Worten: „Auf einen Toten hinzutreten ist net schön“, wie vergangene Woche bei der Diskussion mit SN-Lesern in Salzburg geschehen. Dann packt er, wie er kokett formuliert, doch wieder wie einst in den wilderen Jahren den Bihänder aus, statt elegant mit dem Florett zu fechten.
Und dennoch: Die Zeit, als sich die Freiheitlichen und ihr Parteichef Heinz-Christian Strache über Sprüche wie „Pummerin statt Muezzin“definierten und den Ton der Straße in die Politik holten, scheint vorbei. Auch in den Fernseh- und Internetspots der FPÖ wird nicht mehr mit dem Holzhammer gearbeitet, sondern mit humorvollen Sujets. In den TV-Konfrontationen zur Nationalratswahl tritt Strache wohlerzogen auf und bedankte sich bei der überraschten Puls-4-Moderatorin Corinna Milborn sogar artig mit einem Blumenstrauß. Und mit den Schmutzkübelkampagnen, an denen die Wahlkämpfe von SPÖ und ÖVP laborieren, hat die FPÖ nicht einmal am Rande zu tun.
Das alles ist natürlich kein Zufall. „Wir beobachten seit Beginn des Wahlkampfs, dass die Freiheitlichen diesmal eine bewusst seriöse bis witzige Linie fahren und das auch bis zum Schluss durchgehalten haben“, sagt Josef Kalina, einst SPÖ-Bundesgeschäftsführer und Berater mehrerer roter Kanzler, heute Inhaber der Agentur UNIQUE Relations. Der Zweck der blauen Strategie sei klar. Kalina: „Die Freiheitlichen wollen sich regierungsfähig machen. Sie setzen darauf, dass es keine rot-schwarze Regierung mehr geben wird – und sie wollen die Widerstände gegen einen blauen Regierungseintritt möglichst gering halten.“
Diesbezüglich sind die Freiheitlichen gebrannte Kinder. Als sie im Februar 2000 in die Regierung Schüssel eintraten, löste dies heftige Proteste des Auslands und wochenlange Demonstrationen in Österreich aus. Derlei will die FPÖ diesmal durch gezieltes Wohlverhalten unterbinden.
So verständlich diese Strategie ist, so groß sind auch die damit verbundenen Tücken, warnt der langjährige Wahlkampfbeobachter Kalina: „Die FPÖ hat sich von Sebastian Kurz den Schmied abkaufen lassen, sie ist nur mehr der Schmiedl“, sagt er. Seit Jahren habe die FPÖ die Zuwandererfrage getrommelt – „doch dieses Thema ist den Freiheitlichen handstreichartig von Kurz abgenommen worden“. Was sich an den Umfragen ablesen lässt. Anderthalb Jahre hielt die FPÖ unangefochten Platz eins, während die ÖVP bei 20 Prozent grundelte. Dies hat sich gedreht: Die Kurz-ÖVP liegt in allen Umfragen über 30 Prozent, die Strache-FPÖ weit dahinter, Kopf an Kopf mit der ebenfalls abgeschlagenen SPÖ. Das Ergebnis des kommenden Wahlsonntags aus der Sicht der FPÖ wird also möglicherweise lauten: Wahl verloren – Regierungsbeteiligung gewonnen.
Auch Stefan Petzner, einst FPÖund später BZÖ-Wahlkampfstratege, nimmt den blauen Wandel mit Interesse zur Kenntnis: „Strache tritt staatsmännischer und bürgerlicher auf“, sagt Petzner, und: „Im Unterschied zu früher stellt Strache heute nicht mehr den Kanzleranspruch.“Warum das? Petzner: „Strache weiß, dass ihn viele seiner potenziellen Wähler nicht als Regierungschef wollen. Würde er den Kanzleranspruch stellen, würde das Wähler abschrecken.“Habe sich da bloß die Wahlkampfstrategie gewandelt oder doch auch Strache? Petzner ist skeptisch: „Strache ist derselbe, der er immer war.“
Ist auch die FPÖ dieselbe, die sie immer war? Manchmal passieren Betriebsunfälle, die an die dunkle Seite der Freiheitlichen gemahnen. Am Montag wurde ruchbar, dass ein steirischer FPÖ-Lokalpolitiker während einer Gemeinderatssitzung die Hand zum Hitlergruß erhoben und mit „Heil Hitler“gegrüßt haben soll. Ein Tiroler FPÖFunktionär flog aus der Partei, weil er Nazi-Devotionalien sammelte. Ein FPÖ-Nationalratsabgeordneter verzichtete auf eine Wiederkandidatur, weil er den Vater der österreichischen Bundesverfassung, Hans Kelsen, antisemitisch verhöhnt hatte. Nicht alle Freiheitlichen können beim raschen Wandel ihrer Partei zur Staatspartei mithalten.