Salzburger Nachrichten

Strache im neuen Kleid

Wie sich die FPÖ durch gezieltes Wohlverhal­ten regierungs­fähig machen will.

- ANDREAS KOLLER HELMUT SCHLIESSEL­BERGER

Im Gefecht des Wahlkampfs kann er dann doch nicht immer aus seiner Haut heraus. Und wahrschein­lich will er das auch nicht. Dann nennt er Sebastian Kurz einen „Ohrwaschel­kaktus“, wie die „Kleine Zeitung“dieser Tage von einem Wahlkampfa­uftritt in Bad Gastein berichtete. Dann verteidigt er eine zurückhalt­end geführte TV-Debatte mit Kanzler Kern mit den Worten: „Auf einen Toten hinzutrete­n ist net schön“, wie vergangene Woche bei der Diskussion mit SN-Lesern in Salzburg geschehen. Dann packt er, wie er kokett formuliert, doch wieder wie einst in den wilderen Jahren den Bihänder aus, statt elegant mit dem Florett zu fechten.

Und dennoch: Die Zeit, als sich die Freiheitli­chen und ihr Parteichef Heinz-Christian Strache über Sprüche wie „Pummerin statt Muezzin“definierte­n und den Ton der Straße in die Politik holten, scheint vorbei. Auch in den Fernseh- und Internetsp­ots der FPÖ wird nicht mehr mit dem Holzhammer gearbeitet, sondern mit humorvolle­n Sujets. In den TV-Konfrontat­ionen zur Nationalra­tswahl tritt Strache wohlerzoge­n auf und bedankte sich bei der überrascht­en Puls-4-Moderatori­n Corinna Milborn sogar artig mit einem Blumenstra­uß. Und mit den Schmutzküb­elkampagne­n, an denen die Wahlkämpfe von SPÖ und ÖVP laborieren, hat die FPÖ nicht einmal am Rande zu tun.

Das alles ist natürlich kein Zufall. „Wir beobachten seit Beginn des Wahlkampfs, dass die Freiheitli­chen diesmal eine bewusst seriöse bis witzige Linie fahren und das auch bis zum Schluss durchgehal­ten haben“, sagt Josef Kalina, einst SPÖ-Bundesgesc­häftsführe­r und Berater mehrerer roter Kanzler, heute Inhaber der Agentur UNIQUE Relations. Der Zweck der blauen Strategie sei klar. Kalina: „Die Freiheitli­chen wollen sich regierungs­fähig machen. Sie setzen darauf, dass es keine rot-schwarze Regierung mehr geben wird – und sie wollen die Widerständ­e gegen einen blauen Regierungs­eintritt möglichst gering halten.“

Diesbezügl­ich sind die Freiheitli­chen gebrannte Kinder. Als sie im Februar 2000 in die Regierung Schüssel eintraten, löste dies heftige Proteste des Auslands und wochenlang­e Demonstrat­ionen in Österreich aus. Derlei will die FPÖ diesmal durch gezieltes Wohlverhal­ten unterbinde­n.

So verständli­ch diese Strategie ist, so groß sind auch die damit verbundene­n Tücken, warnt der langjährig­e Wahlkampfb­eobachter Kalina: „Die FPÖ hat sich von Sebastian Kurz den Schmied abkaufen lassen, sie ist nur mehr der Schmiedl“, sagt er. Seit Jahren habe die FPÖ die Zuwanderer­frage getrommelt – „doch dieses Thema ist den Freiheitli­chen handstreic­hartig von Kurz abgenommen worden“. Was sich an den Umfragen ablesen lässt. Anderthalb Jahre hielt die FPÖ unangefoch­ten Platz eins, während die ÖVP bei 20 Prozent grundelte. Dies hat sich gedreht: Die Kurz-ÖVP liegt in allen Umfragen über 30 Prozent, die Strache-FPÖ weit dahinter, Kopf an Kopf mit der ebenfalls abgeschlag­enen SPÖ. Das Ergebnis des kommenden Wahlsonnta­gs aus der Sicht der FPÖ wird also möglicherw­eise lauten: Wahl verloren – Regierungs­beteiligun­g gewonnen.

Auch Stefan Petzner, einst FPÖund später BZÖ-Wahlkampfs­tratege, nimmt den blauen Wandel mit Interesse zur Kenntnis: „Strache tritt staatsmänn­ischer und bürgerlich­er auf“, sagt Petzner, und: „Im Unterschie­d zu früher stellt Strache heute nicht mehr den Kanzlerans­pruch.“Warum das? Petzner: „Strache weiß, dass ihn viele seiner potenziell­en Wähler nicht als Regierungs­chef wollen. Würde er den Kanzlerans­pruch stellen, würde das Wähler abschrecke­n.“Habe sich da bloß die Wahlkampfs­trategie gewandelt oder doch auch Strache? Petzner ist skeptisch: „Strache ist derselbe, der er immer war.“

Ist auch die FPÖ dieselbe, die sie immer war? Manchmal passieren Betriebsun­fälle, die an die dunkle Seite der Freiheitli­chen gemahnen. Am Montag wurde ruchbar, dass ein steirische­r FPÖ-Lokalpolit­iker während einer Gemeindera­tssitzung die Hand zum Hitlergruß erhoben und mit „Heil Hitler“gegrüßt haben soll. Ein Tiroler FPÖFunktio­när flog aus der Partei, weil er Nazi-Devotional­ien sammelte. Ein FPÖ-Nationalra­tsabgeordn­eter verzichtet­e auf eine Wiederkand­idatur, weil er den Vater der österreich­ischen Bundesverf­assung, Hans Kelsen, antisemiti­sch verhöhnt hatte. Nicht alle Freiheitli­chen können beim raschen Wandel ihrer Partei zur Staatspart­ei mithalten.

 ?? BILDER: SN/ORF/APA ?? Blauer Wandel. Einst schwang FPÖ-Chef Strache das Kruzifix gegen Moslems und Moscheen, heute gibt er in TVDiskussi­onen den Staatsmann.
BILDER: SN/ORF/APA Blauer Wandel. Einst schwang FPÖ-Chef Strache das Kruzifix gegen Moslems und Moscheen, heute gibt er in TVDiskussi­onen den Staatsmann.

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