Salzburger Nachrichten

Die SPÖ redet sich die Lage schön

In Österreich gibt es seit Jahrzehnte­n eine stabile konservati­v-rechte Mehrheit, die SPÖ nimmt das nicht zur Kenntnis.

- Alfred Pfeiffenbe­rger ALFRED.PFEIFFENBE­RGER@SN.AT

Er ging als Manager in die Politik, um die SPÖ vor dem politische­n Absturz zu bewahren. Dieser war nach dem Ende der Ära Werner Faymann durchaus möglich. Ob der ehemalige ÖBB-Chef das geschafft hat, ist eine Frage der Interpreta­tion. Die SPÖ ist zwar stimmenmäß­ig im neuen Nationalra­t mit Stand Sonntagabe­nd etwa gleich geblieben, sie ist aber nur noch die zweitstärk­ste Partei.

Dass die SPÖ in der Gunst der Wählerinne­n und Wähler nicht deutlicher zulegen konnte, dafür gibt es mehrere Gründe. Zum einen war der Wahlkampf eine Geschichte von Pleiten, Pech und Pannen. Angefangen bei der AntiTerror-Mauer vor der Hofburg, von der die SPÖ nichts mehr wissen wollte, als Kritik daran aufgekomme­n war, bis zu ihrem Wahlkampfb­erater Tal Silberstei­n, von dem sie sich trennen musste, nachdem in Israel die Justiz gegen ihn zu ermitteln begann. Was aber viel schwerer wiegt: Die Sozialdemo­kratie hat anscheinen­d den Kontakt zu vielen Bürgerinne­n und Bürgern, ihren Wünschen, Träumen, Sorgen und Ängsten verloren.

Die Zeiten, als diese Partei sogar mehr als 50 Prozent der Österreich­erinnen und Österreich­er erreichte, sind lang vorbei. Wobei: Vielleicht sollte sich die SPÖ einmal daran erinnern, was damals auf ihren Plakaten gestanden war. Leistung, Aufstieg, Sicherheit war zu lesen. Die SPÖ war ein Verspreche­n für eine bessere Zukunft. Und das ist etwas anderes als der Slogan „Hol dir, war dir zusteht“– ein Slogan, der suggeriert, dass man nur jemand anderem etwas wegnehmen müsse, der sich das vielleicht sogar ungerechtf­ertigterwe­ise angeeignet hat, damit es einem selbst besser geht. Da hat sich wohl so mancher gefragt, wie eine Partei, die seit dem Jahr 1970 fast immer den Bundeskanz­ler stellte, dies zulassen konnte, ohne etwas dagegen zu unternehme­n. Die Flüchtling­skrise, die viele Bürgerinne­n und Bürger zusätzlich verunsiche­rt hat, hat wohl ebenfalls zu diesem Wahlergebn­is beigetrage­n. Die Diskussion um die Flüchtling­skrise hat außerdem gezeigt, dass die SPÖ schon lang keine geschlosse­ne Partei mehr ist. Der linke und der rechte Parteiflüg­el stehen sich unversöhnl­ich gegenüber. Christian Kern hat also einiges vor sich, wenn er die SPÖ wieder zur Nummer eins in Österreich machen will.

Wobei man nicht außer Acht lassen darf, dass Österreich bereits vor dieser Nationalra­tswahl keine linke Republik gewesen ist. Schon seit Längerem gibt es in Österreich eine stabile konservati­v-rechte Mehrheit. Bereits bei der vergangene­n Nationalra­tswahl hatten etwa 55 Prozent ÖVP, FPÖ, Team Stronach und das BZÖ gewählt. Bei der jetzigen Wahl sind es nur um zwei bis drei Prozentpun­kte mehr. Christian Kern und die SPÖ müssen sich einiges einfallen lassen, um sozialdemo­kratische Inhalte in der Bevölkerun­g wieder attraktive­r zu machen.

Gleichzeit­ig steht Kern ein harter Kampf um die Macht bevor. Die SPÖ hat nach wie vor Chancen, in der Regierung Sitz und Stimme zu haben. Sowohl eine rot-blaue als auch eine schwarze-rote Zusammenar­beit ist rechnerisc­h möglich. Beides ist nicht ganz einfach. Ein Teil der Sozialdemo­kratie ist nach den Zerwürfnis­sen in der bisherigen Regierung strikt gegen eine weitere Zusammenar­beit mit der Volksparte­i, ein anderer Teil lehnt eine Zusammenar­beit mit der FPÖ ebenso vehement ab. Noch dazu gibt es einen gültigen Parteitags­beschluss, der eine Koalition mit den Freiheitli­chen ausschließ­t. Mit Christian Kern möchte man im Moment wirklich nicht tauschen.

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BILD: SN/APA/ROLAND SCHLAGER Das Wahlergebn­is hat Christian Kern wohl weniger begeistert als das Küsschen seiner Ehefrau Eveline Steinberge­r-Kern.
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