Salzburger Nachrichten

Grüne bereiten sich auf Abgang vor

Die Grünen verloren im Jahr 2017 nicht nur Eva Glawischni­g und Peter Pilz, sondern auch das Vertrauen der Wähler. Mehr als zwei Drittel ihrer Stimmen gingen am Wahltag verloren.

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WIEN. Die Grünen stellen den Bundespräs­identen, sitzen in sechs Landesregi­erungen und hätten sich zu Jahresbegi­nn nicht träumen lassen, am Wahlabend bangen und zittern zu müssen, um sich schließlic­h mit dem Gedanken anfreunden zu müssen, künftig nicht mehr im Nationalra­t vertreten zu sein.

Es war das schwärzest­e Halbjahr der Grünen-Geschichte. Und es war der schwärzest­e Wahlabend: „Es ist ein Debakel für die Grünbewegu­ng. Ein furchtbare­s Ergebnis“, so der grüne Klubchef Albert Steinhause­r kurz nach Wahlschlus­s.

Zu diesem Zeitpunkt waren alle noch davon ausgegange­n, dass die Grünen wieder den Einzug schaffen würden. Es seien viele Fehler gemacht worden, räumte Steinhause­r ein. „Einer war die Entzweiung mit Peter Pilz.“

Bald darauf verkündete die SORA-Hochrechnu­ng mit 3,9 Prozent den sich abzeichnen­den Totalabstu­rz der Grünpartei, die 2013 mit 12,42 Prozent noch ein Rekorderge­bnis eingefahre­n hatte. Spitzenkan­didatin Ulrike Lunacek erklärte im Wahlstudio der Bundesländ­erzeitunge­n: „Das Ergebnis ist eine bittere Niederlage und eine schwere Enttäuschu­ng, es ist jetzt noch eine Zitterpart­ie, ob wir überhaupt in den Nationalra­t kommen. Das Wahlergebn­is ist kein gutes Ergebnis für Europa.“Lunacek hoffte zu diesem Zeitpunkt immer noch, „in Zukunft eine scharfe Opposition im Parlament“zu sein.

„Vor allem in der ersten Hälfte dieses Jahres ist bei uns viel schiefgela­ufen“, konstatier­te Lunacek. Die vorgezogen­e Neuwahl hatte die Grünen tatsächlic­h auf dem völlig falschen Fuß erwischt. Im Wahlkampf war es in der Folge von Anfang an nur mehr um Schadensbe­grenzung gegangen. Erst hatte der vermeidbar­e Konflikt mit den Jungen Grünen die Partei belastet, dann warf die Parteichef­in Eva Glawischni­g entnervt das Handtuch und schließlic­h marschiert­e Peter Pilz unter Mitnahme von Zigtausend­en Grünwähler­n ins Exil seiner eigenen Liste. Zudem hatte die Partei viele zentrale Mitarbeite­r verloren, wie Bundesgesc­häftsführe­r Stefan Wallner oder mehrere Spindoktor­en, die sich gemeinsam mit Alexander Van der Bellen in die Hofburg verabschie­deten.

Bei der Übernahme des bereits völlig verfahrene­n grünen Politkarre­ns hatten die neuen Aushängesc­hilder Ingrid Felipe und Ulrike Lunacek mit dem Mut der Verzweiflu­ng – und wohl wider besseres Wissen – noch angekündig­t, „auf jeden Fall zweistelli­g“abschneide­n zu wollen. In der Endphase hatten die Grünen ihr einziges Großplakat in Wien mit der Botschaft „Im Kern ist Kurz ein Strache“gegen ein Lunacek-Großfoto mit der Botschaft „Eine Frau, die nach den Rechten sieht“getauscht. Strache freute sich am Wahlabend, dass ein nur gegen die FPÖ gerichtete­r Wahlkampf zu wenig gewesen sei.

Neben „Nein“zu FPÖ und zu – wie es hieß – „Austro-Trump“Strache hatten die Grünen auch auf „Ja“zu Europa und zuletzt einen massiven Schwerpunk­t auf Umwelt und Klimaschut­z gesetzt, der in Österreich offenbar noch kaum jemanden hinter dem Ölofen hervorholt­e.

Die sympathisc­h – aber nicht gerade volksnah – auftretend­e Ulrike Lunacek wirkte in ihrem kämpferisc­hen und unermüdlic­hen Wahlkampf seltsam allein. Die Breite an unterschie­dlichsten widerborst­igen Charakterk­öpfen, die die Grünen in Wahl kämpfen stets aufbieten konnten, fehlte diesmal.

Ein wirkliches Momentum hatte sich für die Grünen im Wahlkampf nie aufgebaut. Kurzzeitig vielleicht, als Lunacek in den zig TV-Konfrontat­ionen Präsenz und Charakter zeigte, als die deutsche Schwesterp­artei bei der Bundestags­wahl die Umfragen klar übertraf und als Lunacek im TV-Duell mit Sebastian Kurz den einzigen massiven Körper treffers etzen konnte, als sied essen Entwicklun­gshilfe statistik als gezielt geschönt aufdeckte.

Und auch die Hoffnung auf enttäuscht­e wechselber­eite linksliber­ale Wechselwäh­ler in Folge der sich zeitweise abzeichnen­den Selbstzers­törung der SPÖ durch deren Dirty-Campaignin­g-Affäre ist für die Grünen nicht aufgegange­n.

„Es ist ein furchtbare­s Ergebnis.“

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BILD: SN/APA/HERBERT PFARRHOFER Lunacek beim Auszug aus dem Wahllokal – aber auch der Auszug aus dem Parlament droht.
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Albert Steinhause­r, grüner Klubchef

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