Die SPD kann noch siegen
Deutschlands Sozialdemokraten haben in Niedersachsen wieder Tritt gefasst. Ministerpräsident Stephan Weil dürfte an der Macht bleiben. Aber mit welchem Partner?
Drei Wochen nach ihrer historischen Niederlage bei der Wahl zum deutschen Bundestag hat die SPD die Landtagswahl in Niedersachsen spektakulär gewonnen. Die Sozialdemokraten unter Ministerpräsident Stephan Weil legten nach den Prognosen von ARD und ZDF deutlich zu und werden erstmals seit 1998 wieder stärkste Kraft. Rot-Grün hat wegen spürbarer Verluste der Grünen nach vier Jahren aber keine Mehrheit mehr. Die CDU mit Spitzenkandidat Bernd Althusmann rutschte bei der vorgezogenen Wahl auf ihr schlechtestes Ergebnis seit 1959 ab, nachdem sie in Umfragen lange klar geführt hatte.
Sollte es nicht für Rot-Grün reichen, steht in dem zweitgrößten deutschen Flächenland eine schwierige Regierungsbildung bevor. Denkbar wären eine Große Koalition aus SPD und CDU, ein Ampelbündnis von SPD, FDP und Grünen sowie eine Jamaika-Koalition von CDU, FDP und Grünen. Nach ersten Prognosen können die Sozialdemokraten in Niedersachsen ihr Ergebnis auf 37 bis 37,5 Prozent steigern (2013: 32,6). Die CDU kommt nur noch auf 35 Prozent (36,0). Zum ersten Mal seit 2003 ist sie damit nicht mehr stärkste Kraft in dem Bundesland.
Die Grünen verlieren ebenfalls und erreichen 8 bis 8,5 Prozent (13,7). Die FDP landet bei 7 bis 7,5 Prozent (9,9). Die AfD schafft erstmals knapp mit 5,5 Prozent den Sprung ins Parlament, bleibt aber deutlich hinter ihren jüngsten Wahlerfolgen zurück. Die Linke muss um den Einzug zittern, sie liegt laut den Prognosen bei 4,5 bis 4,8 Prozent (3,1). Bleibt es dabei, sind künftig fünf statt bisher vier Parteien im Landtag in Hannover vertreten.
Die Sitzverteilung sieht nach Prognosen so aus: CDU 51 (2013: 54), SPD 54 (49), Grüne 11 bis 12 (20), FDP 10 bis 11 (14) und die AfD 8 (0).
Die Neuwahl wurde nötig, weil eine Grünen-Abgeordnete Anfang August von den Grünen zur CDU gewechselt war. Die seit 2013 regierende rot-grüne Koalition verlor damit ihre knappe Mehrheit.
Für die SPD bedeutet das Ergebnis einen Riesenerfolg zum Ende des Superwahljahres. Neben der Bundestagswahl (20,5 Prozent) hat die Partei in diesem Jahr auch alle drei bisherigen Landtagswahlen verloren.
Die Wahl könnte auch SPD-Chef Martin Schulz Auftrieb geben, der sich trotz seiner gescheiterten Kanzlerkandidatur im Dezember zur Wiederwahl stellen will. Er hatte unmittelbar nach der Bundestagswahl angekündigt, die SPD in die Opposition zu führen.
Großer Verlierer sind die CDU und Herausforderer Althusmann. Das Ergebnis dürfte auch die Jamaika-Verhandlungen für Kanzlerin Angela Merkel nicht einfacher machen. In Niedersachsen war die CDU Mitte August in Umfragen noch bei rund 40 Prozent gelegen, ihr Erfolg galt als sicher. Gründe für die Verluste könnten das schlechte Abschneiden der CDU bei der Bundestagswahl sein, aber auch der Wechsel einer Grünen-Abgeordneten zur CDU, der von SPD und Grünen als Intrige angesehen wird. Zudem sind die Beliebtheitswerte von Weil weitaus höher als die Althusmanns.
Die AfD schafft knapp den Sprung in den Landtag und ist damit nun in 14 von 16 deutschen Landesparlamenten vertreten. Ein Grund für das vergleichsweise schwache CDU-Ergebnis dürften auch die andauernden Querelen im Landesverband gewesen sein. Beherrschend im Wahlkampf waren vor allem regionale Themen wie die Schul- und Agrarpolitik.