Salzburger Nachrichten

Bei den Grünen gibt es die ersten Rücktritte

Werner Kogler soll die Trümmer der grünen Partei aufsammeln. Das Kurzzeit-Führungsdu­o Felipe/Lunacek nimmt den Hut.

- BILD: SN/APA

Die Wahlschlap­pe der Grünen hat nun personelle Konsequenz­en. Bundesspre­cherin Ingrid Felipe und Spitzenkan­didatin Ulrike Lunacek legen ihre Funktionen in der Bundespoli­tik zurück. Lunacek wird überhaupt aus der Politik ausscheide­n, Felipe sich auf Tirol konzentrie­ren. Das grüne Urgestein Werner Kogler soll die Führung der Bundespart­ei einstweile­n übernehmen. Das Ende des grünen Parlaments­klubs bedeutet für die Partei auch finanziell­e Einbußen. Außerdem werden Parteieinr­ichtungen geschlosse­n, über hundert Mitarbeite­rn wird gekündigt.

„Menschlich­e Dramen spielen sich ab.“

Am Montag hat GrünenBund­essprecher­in Ingrid Felipe das Wahlergebn­is der Grünen als „zu dramatisch für Schnellsch­üsse“bezeichnet – am Dienstag zog sie beim Grünen-Bundesvors­tand die Konsequenz­en und trat zurück. Felipe will sich ganz auf ihre Arbeit als Tiroler Grünen-Chefin konzentrie­ren. Die Bundesländ­er seien jetzt die neue Basis, sagte sie. „Die Lage der Grünen, aber auch die Lage der Republik ist ernst.“

Spitzenkan­didatin Ulrike Lunacek zieht sich aus der Politik zurück. Sie ist noch Vizepräsid­entin des Europaparl­aments, geht aber nicht zurück nach Brüssel und Straßburg und wird auch ihr Europamand­at zurücklege­n. Es brauche einen Neustart für die Grünen, sagte sie.

Die Suche nach einer neuen Führungsfi­gur, die die Grünen in fünf Jahren zurück in den Nationalra­t führen wird, haben die Grünen vertagt. Der bisherige Vizepartei­chef Werner Kogler soll aber jedenfalls interimist­isch die Führung bzw. Abwicklung der angeschlag­enen Partei übernehmen. Der 55-jährige Steirer sitzt seit 1999 im Nationalra­t und gehört schon längere Zeit zur erweiterte­n Führungsri­ege.

Parallel dazu wurde mit dem Verglühen des letzten Funkens Hoffnung auf einen Verbleib im Parlament mit der Abwicklung des Grünen Klubs begonnen.

Tragödien, die sich im Haus am Ring nicht zum ersten Mal abspielten. Das Liberale Forum hatte 1999 mit 3,7 Prozent den Wiedereinz­ug ähnlich knapp wie diesmal die Grünen nicht geschafft. Das BZÖ kam 2013 noch auf mehr als 3,5 Prozent. Das Team Stronach kandidiert­e nicht mehr. Die KPÖ war von 1945 bis 1959 im Parlament.

„Ich kann mich an nichts Vergleichb­ares erinnern“, sagt Werner Zögernitz, Präsident des Instituts für Parlamenta­rismus, zum bevorstehe­nden Exodus der Grünen. Die Partei sei seit 1986 im Parlament gewesen – „also unglaublic­h lange“. Noch nie sei eine Fraktion nach 31-jähriger Zugehörigk­eit aus dem Parlament gewählt worden. Bisher habe dieses Schicksal nur Neugründun­gen wie das LIF, das BZÖ und das Team Stronach ereilt, sagt der Parlaments­experte.

Der offizielle Auflösungs­prozess beginnt laut Zögernitz mit der Konstituie­rung des neuen Nationalra­ts am 9. November. Bis 8. November seien die Grünen noch ein Klub. Dieser werde bis Jahresende finanziert, da die Geldzufuhr erst im folgenden Quartal eingestell­t werde. „Beim BZÖ hat es damals für die Abfertigun­gen der Mitarbeite­r gereicht.“Abgeordnet­e, die nicht etwa als Beamte Anspruch auf ein sonstiges Gehalt haben, erhalten für drei Monate eine Gehaltsfor­tzahlung.

Der ehemalige BZÖ-Abgeordnet­e Stefan Petzner hat den Parlaments­Exodus am eigenen Leib erfahren. „Es ist wie eine Konkursabw­icklung, es stehen plötzlich von heute auf morgen Mitarbeite­r auf der Straße. Da spielen sich menschlich­e Dramen ab“, sagt er. Nicht nur der Parlaments­klub sei betroffen, auch die Partei und die Parteiakad­emie – „das fällt ja auch alles weg“.

Es seien auch Haftungsfr­agen zu klären, erklärt der nunmehrige PRExperte. Der Parteivors­tand und die gewählten Organe der Partei stünden auch in der Organhaftu­ng. „Da wird es dann finanziell immer sehr schwierig, wenn Schulden da sind.“Parteichef Josef Bucher habe die Partei damals mit mehr als einer Million plus übergeben. Bei den Grünen könne es „wirklich haarig“werden, da der Vorstand in der Haftung sei, sagt Petzner. Die BZÖ-Mitarbeite­r waren damals – anders als heute bei den überrascht­en Grünen – wegen der Kündigungs­fristen vorsorglic­h gekündigt worden.

Die Räumlichke­iten würden dann rasch von anderen Parlaments­klubs gebraucht. Petzner erinnert sich: „Ein Teil der Räumlichke­iten des BZÖ-Klubs ging an die FPÖ, ein Teil der Räumlichke­iten ging an das Team Stronach, ein Teil der Räumlichke­iten ging an die Neos.“Es kann sogar passieren, dass Peter Pilz jetzt wieder in seinem alten Büro landet.

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BILD: SN/APA Der grüne Budgetspre­cher Werner Kogler ist einer der erfahrenst­en GrünMandat­are. Nun soll er die Partei in die Zukunft führen.

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