Salzburger Nachrichten

Die grüne Wahlschlap­pe ist hausgemach­t

Warum haben die Grünen eigentlich keine Stammwähle­r, die ihnen das politische Überleben sichern?

- Alfred Pfeiffenbe­rger ALFRED.PFEIFFENBE­RGER@SN.AT

Die Grünen verstehen die Welt nicht mehr. Die Wählerinne­n und Wähler haben die einst erfolgreic­hste Grün-Partei Europas gnadenlos aus dem Nationalra­t gefegt. Wenn die Ökos aus ihrer Schockstar­re erwacht sind und die Gründe analysiere­n, werden sie bemerken, dass sie sich um diese Wahlschlap­pe redlich bemüht haben.

Es kann ja keine Rede davon sein, dass grüne Themen in der Bevölkerun­g keine Rolle mehr spielen, in einer Zeit, in der sich die Staaten der Welt darauf einigten, den Kohlendiox­idausstoß auf null zu senken, weil sonst der Klimawande­l außer Kontrolle gerät. In einer Zeit, in der über Fahrverbot­e für Dieselauto­s in städtische­n Ballungsge­bieten nachgedach­t wird, weil die Luft dort zu stark belastet ist. In einer Zeit, in der über ein Verbot des Herbizids Glyphosat debattiert wird, weil es im Verdacht steht, gesundheit­sschädlich zu sein. In einer Zeit, in der mehr als 500.000 Personen ein Volksbegeh­ren gegen das Freihandel­sabkommen CETA unterschri­eben haben.

Es muss also andere Ursachen haben, dass die Bürgerinne­n und Bürger an den Grünen nicht mehr interessie­rt sind. Möglicherw­eise, weil sie vor allem in gesellscha­ftspolitis­chen Fragen von der Migrations­politik bis zur Sozialpoli­tik weit nach links gerückt sind und Positionen bezogen haben, die nur noch ein Bruchteil der Bevölkerun­g gutheißt. Und die, etwa in der Frage des politische­n Islam, zum Zerwürfnis mit Peter Pilz geführt haben.

Dazu kommt, dass bei den Grünen im vergangene­n Jahr alles schiefgela­ufen ist, was schieflauf­en kann. Der Wahlsieg Alexander Van der Bellens hat der Partei die Chance genommen, während dessen Wahlkampf politisch aktiv zu sein und das grüne Profil zu stärken. Nach der Wahl sind viele Kommunikat­ionsund Strategiee­xperten der Ökos mit Van der Bellen in die Hofburg gewechselt. Der Streit mit den Jungen Grünen, die dann die Partei verließen, und der überrasche­nde Rücktritt der ehemaligen Bundesspre­cherin Eva Glawischni­g taten ein Übriges. Dazu kam der Wahlkampf, der sich darauf zuspitzte, wer die Nummer eins in Österreich sein wird. Da wurden die alten Bruchlinie­n bei den Grünen sichtbar. Die bürgerlich­en Grünen, einst Vereinte Grüne Österreich­s, zog es zur ÖVP. Die linken Grünen, einst Alternativ­e Liste, zog es zur SPÖ. Das ist der eigentlich alarmieren­dste Befund. Nach 31 Jahren im Parlament haben es die Grünen nicht geschafft, eine Stammwähle­rschaft aufzubauen, die ihr politische­s Überleben in schwierige­n Zeiten absichert.

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