Kurz will stabile Regierung mit Respekt und neuem Stil
Schlanker Staat, keine illegale Migration, „treffsicherer“Sozialstaat – und ein „wertschätzender“Umgang in der Regierung. Das wünscht sich der voraussichtliche neue Kanzler im SN-Gespräch.
Die berühmte Tapetentür, die ins Arbeitszimmer des Bundespräsidenten führt, kommt in diesen Tagen nicht zur Ruhe. Am Dienstag erschien die Bundesregierung geschlossen in der Hofburg, um dem Staatsoberhaupt – wie nach Neuwahlen üblich – ihren Rücktritt anzubieten. Wie ebenfalls üblich ersuchte der Bundespräsident die Regierung, die Amtsgeschäfte bis auf Widerruf weiterzuführen. Anschließend empfing Alexander Van der Bellen den Wahlsieger Sebastian Kurz zu einem Vieraugengespräch. Unterredungen mit den übrigen Parteichefs folgen. Am Freitag wird Van der Bellen Kurz mit der Regierungsbildung beauftragen. In einem SN-Gespräch skizzierte der mutmaßliche neue Bundeskanzler seine zentralen Vorhaben. Zum einen die Schaffung eines „schlankeren Staates“, um die Steuerlast zu reduzieren. Zum Zweiten solle der Sozialstaat „treffsicherer“gestaltet werden. Und drittens solle die illegale Migration bekämpft werden. Auch einen „neuen Stil“will Kurz in der Bundesregierung durchsetzen. Das „Hickhack, der Streit, das gegenseitige Anpatzen“solle einem „respektvolleren, wertschätzenderen Umgang“weichen. Auch die FPÖ stellte die Weichen in Richtung Regierungsbildung. Parteichef Strache ließ nach einer Sitzung des Parteivorstands offen, ob er die ÖVP oder die SPÖ als Partner bevorzugt.
WIEN. Nach ihrem Wahlerfolg hat die FPÖ am Dienstag den Willen bekräftigt, in die Regierung einzuziehen. Präferenzen, was den Koalitionspartner betrifft, habe man keine, sagt Parteichef Heinz-Christian Strache. Sowohl SPÖ als auch ÖVP seien möglich. Alles hänge davon ab, mit wem man mehr durchsetzen könne, sagte Strache. Als Koalitionsbedingung nannte er erneut das Innenministerium.
Sollte sie es wirklich in die Regierung schaffen, muss die FPÖ ihre Fehler aus der Zeit der Wende im Jahr 2000 vermeiden. 1. Strache und Hofer nicht draußen lassen Die Parteispitze muss in der Regierung sitzen. Dass der starke Mann (im Jahr 2000 war es Jörg Haider) draußen bleibt, aber durch Zurufe mitzuregieren versucht, erzeugt zwangsläufig Streit. Strache und Norbert Hofer sollten daher beide in die Regierung gehen. 2. Vorsicht bei der Personalauswahl Im Jahr 2000 unterliefen der FPÖ bei der Ministersuche grobe Schnitzer. Einige blaue Regierungsmitglieder waren – was auch mit der damaligen Sondersituation von EUSanktionen und Protesten zu tun hatte – schlicht überfordert. Leitlinie bei der Personalauswahl muss die fachliche Eignung sein, nicht die Belohnung für vergangene Verdienste um die Partei. 3. Das eigene Profil behalten In der Wende-Regierung ab dem Jahr 2000 konnte die FPÖ nur wenig eigenes Profil entwickeln (und wenn sie eines hatte, wurde es durch Jörg Haider zerstört, der immer noch mehr verlangte). Bei einem Regierungseintritt muss die FPÖ diesmal versuchen, im Verhältnis zum Koalitionspartner einen Mittelweg zwischen Kuscheln und Streiten zu finden. Für den Juniorpartner in einer Koalition ist das eine unendlich schwierige Aufgabe, wie man am langen Siechtum der ÖVP sehen konnte. 4. Internen Streit vermeiden Schwierig wird es für die FPÖ als Regierungspartei auch sein, für interne Ruhe zu sorgen. Das Dritte Lager ist bekannt dafür, dass es sich gern spaltet. Man denke nur an das BZÖ oder die bei der jüngsten Wahl angetretene FLÖ. Der Grund dafür ist, dass dem Dritten Lager das Wesen des Kompromisses eher fremd ist. Aber Kompromisse sind in einer Koalition nun einmal notwendig. 5. Gewisse Verluste einkalkulieren Die FPÖ sollte sich bewusst machen, dass der Wechsel von der Oppositions- zur Regierungspartei zwangsläufig mit Stimmenverlusten einhergeht. Denn die Protestwähler gehen verloren. Je früher die FPÖ diese Verluste einkalkuliert, desto geringer wird die Enttäuschung sein. 6. Das Ausland nicht provozieren Eine Lehre aus dem Jahr 2000 muss auch sein, sich außenpolitisch zurückzuhalten. Jörg Haider zog damals eine Spur der Verwüstung durch die auswärtigen Beziehungen Österreichs, was die Regierung in Wien zusätzlich unter Stress setzte. Manche ausländischen Politiker sind schon jetzt alarmiert, weil die FPÖ vor dem Eintritt in die Bundesregierung steht. Bei einer Koalition mit der SPÖ müssten die Blauen aber zweifellos mit weniger internationalem Widerstand rechnen als bei einem Zusammengehen mit der ÖVP.