Sohn von ermordeter Journalistin klagt an
Jeder Malteser kannte Daphne Caruana Galizia und las, was sie über Korruption im Inselstaat schrieb. Bis Montag.
Der tödliche Anschlag auf die maltesische Journalistin Daphne Caruana Galizia löst Entsetzen aus. Ihr Sohn macht nun Maltas Regierung Vorwürfe.
Tödliche Anschläge auf investigative Journalisten, die den Mächtigen lästig sind, das kennen EU-Bürger eher aus dem Ausland. Am Montag wurde in Malta die regierungskritische Journalistin und Bloggerin Daphne Caruana Galizia Opfer einer Autobombe. Der Sprengsatz riss ihren Peugeot 108 in Stücke, sie selbst wurde Augenzeugen zufolge auf ein nahe gelegenes Feld geschleudert. Die 53-Jährige hinterlässt einen Ehemann und drei Söhne. Die EU-Kommission, EUPolitiker sowie Journalistenverbände verurteilten das Attentat am Dienstag scharf. Ihr Sohn Mathew, selbst Journalist, machte die Regierung Maltas für das Attentat verantwortlich. „Sie sind Komplizen, Sie sind dafür verantwortlich“, schrieb er in einem emotionalen Facebook-Beitrag an die Regierung gerichtet. Caruana Galizia war über die Grenzen des Inselstaates hinaus vor allem für ihren Blog (https://daphnecaruanagalizia.com) bekannt. Dort deckte sie mehrere Korruptionsaffären auf, in die auch Vertraute von Regierungschef Joseph Muscat verwickelt waren. Dieser setzte im Frühjahr wegen der Vorwürfe im Zusammenhang mit den „Panama Papers“Neuwahlen an, die seine Arbeiterpartei haushoch gewann. Und er klagte Caruana Galizia, weil sie geschrieben hatte, seine Frau Michelle sei an einer Firma im Steuerparadies Panama beteiligt gewesen und es seien hohe Summen zwischen dieser Firma und einem Bankkonto in Aserbaidschan geflossen. Zuletzt erhob die Bloggerin auch Korruptionsvorwürfe gegen Oppositionelle.
„Jeder weiß, dass Caruana Galizia eine scharfe Kritikerin von mir gewesen ist, sowohl politisch als auch persönlich, aber niemand kann diesen barbarischen Akt auf irgendeine Art rechtfertigen“, betonte Muscat am Dienstag. Sein Land – das kleinste in der Union mit 430.000 Einwohnern – hatte von Jänner bis Juni den EU-Ratsvorsitz inne und steht wegen seiner Steuerpolitik mit Ministeuersätzen für Konzerne immer wieder in der Kritik, auch im EU-Parlament. Muscat verteidigte Maltas Politik als ein „wettbewerbsfähiges System“und warf den Kritikern vor, die Steuern gern selbst einnehmen zu wollen.
Der Anschlag auf Caruana Galizia war nicht der erste. 1994 war ihre Haustür angezündet worden, 2006 nachts ihr Haus, wie sie im Mai einer deutschen Journalistenkollegin erzählte. Sie hatte Glück, einer ihrer Söhne kam nach Hause und weckte die Familie. Der staatliche Sender TVM berichtete, dass die Bloggerin der Polizei vor zwei Wochen Morddrohungen gemeldet hat. In ihrem letzten Artikel, der gut eine halbe Stunde vor ihrem Tod online ging, schrieb sie: „Wo du auch hinschaust, überall sind Gauner. Die Lage ist hoffnungslos.“
Wie sehr Caruana Galizia polarisierte, zeigt ein Eintrag eines maltesischen Polizisten auf Facebook. „Jeder kriegt, was er verdient. Bin glücklich!!!“, schrieb er, kurz nachdem der Anschlag bekannt geworden war. Er wurde vom Dienst suspendiert.
Kenner des Landes sprechen von einer tiefen Krise, die mit dem Mord ihren Höhepunkt erreicht hat. „Das ist der dunkelste Tag für die Demokratie einer ganzen Generation“, schrieb die maltesische EU-Abgeordnete Roberta Metsola von der konservativen Nationalistenpartei auf Twitter. Die EU-Mandatarin Miriam Dalli von der regierenden Arbeiterpartei forderte eine vollständige, sorgfältige und unabhängige Untersuchung des Mordes.
Die maltesischen Behörden haben Hilfe von niederländischen Gerichtsmedizinern und Beamten der US-Bundespolizei FBI angefordert. Der Gründer der Enthüllungsplattform WikiLeaks, Julian Assange, versprach eine Belohnung von 20.000 Euro für Informationen, die zur Überführung der Mörder Caruana Galizias führen.
„Überall, wo du jetzt hinschaust, sind Gauner. Die Lage ist hoffnungslos.“Caruana Galizia, letzter Blogeintrag