Salzburger Nachrichten

Lügen haben kurze Beine, aber einen ziemlich langen Arm

Nun, da der schmutzige und hitzige Wahlkampf vorbei ist, ist es an der Zeit, einen Blick auf den neuen Kalten Krieg zu werfen.

- VIKTOR.HERMANN@SN.AT

Ja, es gibt eine Welt außerhalb der kleinen österreich­ischen. Nicht nur hier im glückliche­n Herzen Europas fliegen die Hackln und Intrigen tief. Nicht nur hier kommen die Balken kaum mit dem Biegen nach, wenn Politiker in wohlgedrec­hselten Worten ihre eigene Version von Wahrheit unters Volk bringen.

Es ist noch gar nicht so lange her, da freute sich der internatio­nale Journalism­us über eine ganz famose Einrichtun­g, die versprach, hinter die Kulissen zu blicken und die Machenscha­ften „der Mächtigen“bloßzustel­len. WikiLeaks feierte mit den Enthüllung­en über grausamste Menschenre­chtsverlet­zungen im Irak und in Afghanista­n, begangen durch amerikanis­che Truppen, Publikatio­nserfolg um Publikatio­nserfolg. Endlich, so schien es, brachte da jemand zustande, was Journalist­en mit den Mitteln normaler Recherche nicht gelungen ist.

Journalist­en auf der ganzen Welt glaubten ehrlich, dass all diese Dokumente, die da „geleakt“ wurden, also durchgesic­kert sind, einfach echte berichtens­werte „news“seien. Diese Überzeugun­g wurde noch zusätzlich davon befeuert, dass es ja gegen einen in aller Welt unbeliebte­n und verachtete­n US-Präsidente­n namens George W. Bush ging. Niemand kam auf die Idee, etwas tiefer zu bohren und die Frage zu stellen, wer denn hinter WikiLeaks und Julian Assange stehe.

Dabei war es doch recht einfach. Man musste nicht nur schauen, was WikiLeaks so alles veröffentl­ichte. Man musste auch einmal schauen, was WikiLeaks eben nicht im Programm hatte und hat. Kein Wort über irgendeine­n anderen „Bösewicht“in der Welt. Nicht eine einzige Enthüllung über Unterdrück­ung der Meinungsfr­eiheit irgendwo, nichts über Morde an Opposition­ellen in Russland, nichts über die miese Behandlung von Künstlern und Dissidente­n in China. Die gesamte Energie von WikiLeaks richtete sich auf die USA.

Das konnte einerseits Feigheit sein, denn in den USA werden Leute, die Staatsgehe­imnisse ausplauder­n, zwar vor Gericht gestellt, aber nicht liquidiert, wie anderswo. Es könnte aber auch sein, dass WikiLeaks ganz einfach gefördert oder gesteuert wurde und wird. Die Einmischun­g von WikiLeaks in den US-Wahlkampf durch die Publikatio­n von Inhalten des E-MailVerkeh­rs der Demokraten legt eine Spur dorthin, wo das alles herkommen dürfte.

Auf einem Literaturf­estival im englischen Cheltenham hat die ehemalige US-Außenminis­terin Hillary Clinton ausgesproc­hen, was sich skeptische Zeitgenoss­en schon seit einiger Zeit denken: WikiLeaks sei Teil einer russischen Geheimdien­st-Strategie im Rahmen eines neuen Kalten Kriegs. Clinton mag zu schwarz zeichnen, ein Warnruf ist ihr Vorwurf an Moskau aber allemal.

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Viktor Hermann

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