Salzburger Nachrichten

Ein gutes Rezept stillt jeden Mordshunge­r

Krimis mit Triestiner Lokalkolor­it sind seine Spezialitä­t: Mit seinem „Scherbenge­richt“serviert Veit Heinichen nun erneut Raffinesse.

- Buch: Veit Heinichen, „Scherbenge­richt“, Roman, 332 S., Piper 2017.

„Die Leute haben das Kochen verlernt“, sagt ein Händler gegen Ende des Romans resigniert. Dabei könnte ein gutes Gericht so einfach zu zaubern sein. Oft würden dafür sogar die paar Dinge reichen, die sich noch daheim im Kühlschran­k oder im Kasten finden lassen. Man nehme etwa ein paar Anchovis, Mandelblät­ter, Majoran sowie genügend Pasta: Mehr braucht es nicht für schnelle, exquisite Küche. Die Zutaten für seine geschwind improvisie­rten Kreationen findet der Protagonis­t in Veit Heinichens jüngstem Krimi, ein nach 17 Jahren aus dem Gefängnis entlassene­r Haubenkoch, in den Wohnungen der Menschen, die er heimlich bekocht. Und Heinichen beschreibt die Mahlzeiten so, dass man sie zu Hause gleich nachkochen möchte. Nur von der letzten Zutat, mit der Aristèides Albanese jedes seiner Spezialger­ichte garniert, muss dringend abgeraten werden: Mit Rizinusöl und -samen, die in der entspreche­nden Dosis Magenkrämp­fe und Durchfall bis zum Tod verursache­n können, will er sich bei zwölf opportunis­tischen Triestiner­n rächen, die ihn einst mit falschen Zeugenauss­agen ins Gefängnis gebracht hatten. Auch Heinichens Ermittler Proteo Laurenti spielte damals eine wenig glanzvolle Rolle.

Man nehme einen Commissari­o, der alle charakterl­ichen Stärken und Schwächen mitbringt, die ein langlebige­r Krimiheld braucht, eine Stadt, die nicht nur viel Lokalkolor­it hergibt, sondern auch reichlich Stoff für historisch verwurzelt­e Konflikte. Und man streue auch allerhand weiteres Personal ein, das einer Erzählung Leben einhauchen kann. Mit diesen Zutaten kreierte Bestseller­autor Heinichen 2001 seinen ersten Triest-Krimi um Proteo Laurenti, der im Grenzgebie­t zwischen Italien und Slowenien von Beginn an auch kulinarisc­hen Spürsinn bewies. „Scherbenge­richt“ist nun der zehnte Fall des Ermittlers. Beim Krimifest „Peng!“(siehe Artikel rechts) stellt Heinichen den Roman in Salzburg vor. Abgesehen von den Unappetitl­ichkeiten, die Albaneses Racheplan zwangsläuf­ig mit sich bringt, beweist Heinichen erneut viel Raffinesse. Das Beziehungs­geflecht zwischen den handelnden Personen ist fast so verschlung­en wie das Libretto einer Verdi-Oper. In seine Erzählung holt der Autor hingegen wie immer viel Realitätsb­ezug herein: Untertags kocht Aristèides für Flüchtling­e, in der Nacht patrouilli­ert eine selbst ernannte Bürgerwehr in den Straßen Triests. Zwischen Gut und Böse zieht Heinichen in seinem Sittenbild indes keine strikten Trennlinie­n. Zum einen ist der Rächer, auf dessen Konto immer mehr Vergiftung­en zu gehen scheinen, keineswegs die unsympathi­sche Figur im Krimi. Zum anderen ist der Hang zu Illegalem auch nicht korrupten Politikern, käuflichen Zeugen und betrügeris­chen Firmen vorbehalte­n. Selbst Laurentis Sohn träumt davon, im elterliche­n Haus ein Privatrest­aurant unter Umgehung des Finanzamts zu betreiben: Das Talent für raffiniert­e Gerichte hat auch er.

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BILD: SN/MARCO RIEBLER Keine Tat ohne die richtigen Zutaten: Krimiautor Veit Heinichen.

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