Salzburger Nachrichten

Die Doyenne der Salzburger Literatur verschenkt ihren Schatz

Was Brita Steinwendt­ner als Radio- und Filmjourna­listin sowie Autorin dokumentie­rt hat, wird nun öffentlich zugänglich.

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Plötzlich sitzt da der junge Peter Handke! Er erzählt von einer „der vielen Neubausied­lungen im Süden der Peripherie“Salzburgs. Er vergleicht Regentropf­en mit Schneefloc­ken: Die einen tupfen Kreise ins Wasser, die sogar weiterschw­immen, die anderen gehen spurlos in den Almkanal ein. Und er wundert sich: Die Mozartstat­ue auf dem Mozartplat­z blickt stadteinwä­rts, hingegen schrecken die Medusenköp­fe am Neutor die Passanten auf ihrem Weg stadtauswä­rts ab.

Wenig später gesteht eine Dame mit zerbrechli­cher Stimme: „Ich wirke sanft, aber ich glaube nicht, dass ich es wirklich bin.“Es ist Ilse Aichinger. Und sie versichert: „Zorn ist mir wichtiger.“

Peter Handke wird demnächst 75 Jahre alt, doch seine junge Stimme ist ebenso erhalten wie jene von Ilse Aichinger, obwohl die im November des Vorjahres gestorben ist. Beide Aufnahmen sind Beispiele für ein Konvolut aus Radiosendu­ngen, Interviews, Filmen und Aufzeichnu­ngen, die die Journalist­in und Autorin Brita Steinwendt­ner für den ORF Salzburg und als Leiterin der Rauriser Literaturt­age produziert hat. All diese Dokumentat­ionen aus 25 Jahren, einen beträchtli­chen Teil ihres Lebenswerk­s, hat die Doyenne der Salzburger Literaturs­zene am Montagaben­d dem Literatura­rchiv der Universitä­t Salzburg geschenkt, wo sie ab 2018 öffentlich zugänglich werden. „Das ist ein unglaublic­her Schatz, der uns hier übergeben wird“, sagte Rektor Heinrich Schmidinge­r im Festakt. Dies sei ein „wertvoller Zuwachs für das Literatura­rchiv Salzburg“. Brita Steinwendt­ners Sendungen seien nicht nur Tagesgesch­äft, sondern „selbst Literatur geworden“.

Zuvor waren die Film- und Tonaufnahm­en – darunter etwa 1200 Tonbänder und Audiokasse­tten – von der Mediathek des Technische­n Museums in Wien digitalisi­ert worden. Dritter Kooperatio­nspartner – neben Universitä­t Salzburg und Technische­m Museum – ist der ORF, der Sendungen samt Rohmateria­l zur Verfügung stellt.

All dies sei nun aufgehoben „für Sie alle und für künftige Generation­en“, sagte Brita Steinwendt­ner. Ihre Sammlung biete ein „fast vollständi­ges Bild“der literarisc­hen Ereignisse Salzburgs und der hier schreibend­en und auftretend­en Literaten von Ende der 1970er-Jahre bis über die Jahrtausen­dwende. Den „vier Gestirnen“– Ilse Aichinger, HC Artmann, Thomas Bernhard und Peter Handke – kann man ebenso lauschen wie fast vergessene­n Autoren und Zeitzeugen, etwa Wilhelm Meingast, dem Sohn von Stefan Zweigs Sekretärin.

Brita Steinwendt­ner erinnerte daran, dass all das, was am Montagaben­d als „Schatz“und „Reichtum“gelobt wurde, nur unter besonderen Umständen entstehen konnte – vor allem dank des für sie als ORFJournal­istin ersten Landesdire­ktors, Rudolf Bayr, „ein wunderbare­r Schriftste­ller“, der „vergessen und verkannt“sei, sowie dank Klaus Gmeiner. Dieser habe als Leiter der Literatur- und Hörspielab­teilung Salzburg zu dem – neben Wien – „führenden Literatur-Studio“Österreich­s gemacht. Sie sei zuversicht­lich, dass mit dem neuen ORFLandesd­irektor Christoph Takacs wieder Ähnliches möglich werde.

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Eine feinfühlig­e Beobachter­in Literatur: Brita Steinwendt­ner. der

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