Rechtsruck und Brexit heizen die Krimis an
„Peng!“, heißt es ab morgen, Donnerstag, im Salzburger Literaturhaus. Denn an drei Abenden werden Krimis vorgestellt. Kuratiert hat das Krimifestival der Leiter des Literaturhauses, Tomas Friedmann. SN: Viele Literaturexperten verachten Krimis. Sind die tatsächlich zu seichte Kost für anspruchsvolle Leser? Tomas Friedmann: Diese angebliche Expertenmeinung ist in Zweifel zu ziehen. Dieselben Experten blicken auf Autoren wie Edgar Allan Poe, Raymond Chandler oder Georges Simenon mit Hochachtung. Es ist dumm, ein ganzes Genre zu verteufeln. Wie in der Oper oder im Jazz gibt es auch in der Kriminalliteratur Gutes und Schlechtes. SN: Wann ist ein Krimi gute Literatur? Wenn der Autor mit Sprache umgehen kann, wenn er Figuren interessant zeichnet und in die Psyche eintaucht, wenn er überrascht und nicht bloß einfache Lösungen bietet, wenn er gesellschaftspolitische Bezüge herstellt. Der Kriminalroman ist immer politisch gewesen, doch vielleicht noch nie so politisch wie heute. Eva Rossmann behandelt im neuen Buch den Rechtsruck, Zoë Beck schreibt über den Brexit, Sunil Mann erzählt von Obdachlosen. Da wird nicht nur ein Mord abgehandelt, sondern über eine spannende Handlung wird es Leserinnen und Lesern erleichtert, einen Zugang zu aktuellen Themen zu finden. SN: Was ist in Krimis derzeit anders als vor zehn oder zwanzig Jahren? Auffallend ist die Menge an verlegten Büchern. Das hat zugenommen. Und ich sage: Auch die Qualität hat zugenommen. Laut jüngsten Statistiken von der Frankfurter Buchmesse nehmen Verkaufszahlen für Belletristik in Deutschland und der Schweiz ab, in Österreich sind sie noch relativ stabil. Aber Krimis verkaufen sich überall gut, fast alle Verlage bieten sie heute an. Daher ist es kein Zufall, dass sogar der SuhrkampVerlag nach vielen Jahren Krimiautoren ins Programm genommen hat, wie Friedrich Ani, Simone Buchholz und Zoë Beck, die auch nach Salzburg kommen. Ein weiterer Trend sind Krimis von Frauen. Lange wurde Kriminalliteratur – abgesehen von Agatha Christie und Patricia Highsmith – fast nur von Männern geschrieben. Jetzt stehen die Autorinnen in nichts nach. Das macht sich bei unserem Krimifestival bemerkbar: Wir haben heuer erstmals mehr Autorinnen (sieben) als Autoren (sechs) eingeladen. SN: Welche inhaltlichen Trends zeichnen sich ab? Lokalkrimis sind populär. Die werden von der Kritik nicht goutiert, aber sie haben ihre Berechtigung. Es gibt Sylt-Krimis, Saarland-Krimis, auch Salzburg-Krimis. Allein die Bayern-Krimis! Da gibt es unübersichtlich viele. Sie sind meist mit Lokalkolorit versehen und haben oft etwas Touristisches. So kann man in Venedig den Wegen von Donna-Leon-Krimis nachgehen.
„Essen spielt in vielen Krimis eine Rolle.“Tomas Friedmann, Literaturhaus Salzburg
SN: Oft geht es extensiv ums Essen, um lokale Küche, spezielle Speisen oder bei Donna Leon bis zu jeder Tramezzino-Füllung. Ja, das stimmt, Essen spielt in vielen Kriminalromanen eine Rolle. Vermutlich hat das damit zu tun, dass diese Krimis nicht nur fragen und klären: Wer ist Täter? Stärker als früher spielen in Krimis Familiengeschichten und Privates hinein – daher das Essen. Ich vermute zudem, dass viele Autorinnen und Autoren kulinarische Menschen sind. Und: Die Leser lieben es offenbar, wenn der Krimi duftet und schmeckt.