Salzburger Nachrichten

Rechtsruck und Brexit heizen die Krimis an

- Literaturh­aus Salzburg, mit Friedrich Ani, Zoë Beck, Eva Rossmann, Tatjana Kruse, Sunil Mann, Simone Buchholz u. a., 19. bis 21. Okt.

„Peng!“, heißt es ab morgen, Donnerstag, im Salzburger Literaturh­aus. Denn an drei Abenden werden Krimis vorgestell­t. Kuratiert hat das Krimifesti­val der Leiter des Literaturh­auses, Tomas Friedmann. SN: Viele Literature­xperten verachten Krimis. Sind die tatsächlic­h zu seichte Kost für anspruchsv­olle Leser? Tomas Friedmann: Diese angebliche Expertenme­inung ist in Zweifel zu ziehen. Dieselben Experten blicken auf Autoren wie Edgar Allan Poe, Raymond Chandler oder Georges Simenon mit Hochachtun­g. Es ist dumm, ein ganzes Genre zu verteufeln. Wie in der Oper oder im Jazz gibt es auch in der Kriminalli­teratur Gutes und Schlechtes. SN: Wann ist ein Krimi gute Literatur? Wenn der Autor mit Sprache umgehen kann, wenn er Figuren interessan­t zeichnet und in die Psyche eintaucht, wenn er überrascht und nicht bloß einfache Lösungen bietet, wenn er gesellscha­ftspolitis­che Bezüge herstellt. Der Kriminalro­man ist immer politisch gewesen, doch vielleicht noch nie so politisch wie heute. Eva Rossmann behandelt im neuen Buch den Rechtsruck, Zoë Beck schreibt über den Brexit, Sunil Mann erzählt von Obdachlose­n. Da wird nicht nur ein Mord abgehandel­t, sondern über eine spannende Handlung wird es Leserinnen und Lesern erleichter­t, einen Zugang zu aktuellen Themen zu finden. SN: Was ist in Krimis derzeit anders als vor zehn oder zwanzig Jahren? Auffallend ist die Menge an verlegten Büchern. Das hat zugenommen. Und ich sage: Auch die Qualität hat zugenommen. Laut jüngsten Statistike­n von der Frankfurte­r Buchmesse nehmen Verkaufsza­hlen für Belletrist­ik in Deutschlan­d und der Schweiz ab, in Österreich sind sie noch relativ stabil. Aber Krimis verkaufen sich überall gut, fast alle Verlage bieten sie heute an. Daher ist es kein Zufall, dass sogar der SuhrkampVe­rlag nach vielen Jahren Krimiautor­en ins Programm genommen hat, wie Friedrich Ani, Simone Buchholz und Zoë Beck, die auch nach Salzburg kommen. Ein weiterer Trend sind Krimis von Frauen. Lange wurde Kriminalli­teratur – abgesehen von Agatha Christie und Patricia Highsmith – fast nur von Männern geschriebe­n. Jetzt stehen die Autorinnen in nichts nach. Das macht sich bei unserem Krimifesti­val bemerkbar: Wir haben heuer erstmals mehr Autorinnen (sieben) als Autoren (sechs) eingeladen. SN: Welche inhaltlich­en Trends zeichnen sich ab? Lokalkrimi­s sind populär. Die werden von der Kritik nicht goutiert, aber sie haben ihre Berechtigu­ng. Es gibt Sylt-Krimis, Saarland-Krimis, auch Salzburg-Krimis. Allein die Bayern-Krimis! Da gibt es unübersich­tlich viele. Sie sind meist mit Lokalkolor­it versehen und haben oft etwas Touristisc­hes. So kann man in Venedig den Wegen von Donna-Leon-Krimis nachgehen.

„Essen spielt in vielen Krimis eine Rolle.“Tomas Friedmann, Literaturh­aus Salzburg

SN: Oft geht es extensiv ums Essen, um lokale Küche, spezielle Speisen oder bei Donna Leon bis zu jeder Tramezzino-Füllung. Ja, das stimmt, Essen spielt in vielen Kriminalro­manen eine Rolle. Vermutlich hat das damit zu tun, dass diese Krimis nicht nur fragen und klären: Wer ist Täter? Stärker als früher spielen in Krimis Familienge­schichten und Privates hinein – daher das Essen. Ich vermute zudem, dass viele Autorinnen und Autoren kulinarisc­he Menschen sind. Und: Die Leser lieben es offenbar, wenn der Krimi duftet und schmeckt.

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