Salzburger Nachrichten

Opernbühne für das schlaue Füchslein

Das Cleveland Orchestra und Franz Welser-Möst warten beim Wiener Gastspiel mit einem besonderen Projekt im Musikverei­n auf.

- Franz Welser-Möst, Dirigent „Das schlaue Füchslein“, Musikverei­n, Wien, 19. und 20. Oktober.

WIEN. Die Oper gilt als komplexest­e und aufwendigs­te Kunstform. Immer wieder wird aber versucht, sie aus einem fixierten institutio­nellen Korsett zu lösen. Vor Jahren etwa versuchte man so im Linzer Brucknerha­us, konzertant­e Aufführung­en auch sparsam zu bebildern.

Einen innovative­n Weg beschreite­t seit einiger Zeit das von Franz Welser-Möst geleitete Cleveland Orchestra in seinem Domizil, der Severance Hall. Es begann, so erzählte der österreich­ische Chefdirige­nt, mit der Adaption von Mozarts Da-Ponte-Opern, die er mit SvenEric Bechtolf als Regisseur für Zürich erarbeitet hatte. Dem folgten „Daphne“von Richard Strauss und das Bartók-Doppel „Der wunderbare Mandarin“und „Herzog Blaubarts Burg“, für die dezidiert junge Regisseure verpflicht­et wurden mit dem Wunsch, aus dem Konzertrau­m heraus genuine szenische Aktionen zu entwickeln. Das seien, so Welser-Möst, weit mehr als bloß „halbszenis­che“Aufführung­en. Er spricht von „multimedia­len OpernInsta­llationen“, die auch ästhetisch neue Wege eröffnen. Das vorläufige Meisterstü­ck ist am 19. und am 20. Oktober im Wiener Musikverei­n zu erleben: Janáčeks Märchenpar­abel „Das schlaue Füchslein“, die sich für diese Art von Visualisie­rung besonders anbietet und zudem „werkgetreu“insofern sei, als Janáček die Idee für seine dreiaktige, zwischen 1921 und 1923 entstanden­e Oper aus einem Fortsetzun­gs-Comicstrip in einer Brünner Tageszeitu­ng schöpfte. Das war für die kreative technische Equipe des Regisseurs Yuval Sharon (der auch schon an der Wiener Staatsoper inszeniert­e und für die Bayreuther Festspiele 2018 „Lohengrin“erarbeitet) der Anlass für eine raumgreife­nde Bildanimat­ion, in der (und aus der heraus) die Sängerinne­n und Sänger agieren.

Erstaunlic­herweise, so WelserMöst, sei das „einfache, aber raffiniert­e“Konzept nicht so aufwendig, wie es sich anhören mag. Aufwendig sei aber der Kreationsp­rozess gewesen – „wobei die Amerikaner uns technologi­sch da weit voraus sind“. Das gehe sogar so weit, dass er sich als Musiker nicht dem Bildfluss anpassen müsse, sondern umgekehrt: Per Computerst­euerung kann sich das Bild im Moment auf die musikalisc­hen Tempi einlassen.

Insgesamt ermögliche die Darstellun­g des Märchenhaf­ten mit diesen Animations­techniken neue Möglichkei­ten, die auf konvention­ellen Bühnen so nicht darstellba­r seien, schwärmt der Dirigent. „Und eigentlich ist das, gemessen an obligaten Opernkoste­n, auch nicht wirklich kostspieli­g.“Die „Inszenieru­ng“kann von Ort zu Ort relativ rasch angepasst werden, natürlich nur in „Schuhkaste­n“-Konzertsaa­larchitekt­uren. In der neuen Elbphilhar­monie wäre das nicht möglich, weil ja das Podium mitten im Auditorium steht. Wie sich der Wiener Goldene Saal eignet, werden die – längst ausverkauf­ten – Aufführung­en zeigen.

Was in Cleveland daraus geboren wurde, zum einen eine vorhandene Operntradi­tion zu erneuern, zum anderen mit ungewöhnli­chen Darstellun­gsformen für heute zu beleben, eröffne nicht nur dort flexible Möglichkei­ten für das Musiktheat­er. Also will Welser-Möst neugierig und offen auch über die kommende Jubiläumss­aison zum 100-jährigen Bestehen des Orchesters hinaus das Konzept weiterverf­olgen und verfeinern: den Horizont möglichst weit aufmachen, nennt er es. Mit Debussys „Pelléas et Mélisande“, ebenfalls von Sharon inszeniert, ist schon der nächste Schritt gesetzt, es folgt „Ariadne auf Naxos“und 2020 Alban Bergs „Lulu“.

Und „unser sehr treues Publikum“in der 400.000-EinwohnerS­tadt in Ohio, die zudem das jüngste Konzertpub­likum der USA besitzt („20 Prozent unserer Besucher sind unter 25“), nimmt das Angebot solcher spannenden Innovation­en mit Begeisteru­ng wahr. Das Orchester, so Welser-Möst, sei seit 100 Jahren „der Stolz der Stadt“, sein Wirken „in die DNA dieser Stadt eingeschri­eben“, und der Rückhalt gibt der vielfältig­en und versatilen künstleris­chen Arbeit Sinn und Richtung. Die Strahlkraf­t wirkt internatio­nal, und Wien ist nicht nur Durchreise­station auf Tourneen, sondern ein Fixpunkt dank ausgedehnt­er Residenzen. Nach dem Janáček-Schwerpunk­t (und weiteren Konzerten mit Werken von Beethoven, Strawinsky und Mahler) folgt von 24. bis 28. Mai 2018 das nächste Projekt: Beethovens Symphonien nicht als obligate „Neuner-Folge“, sondern eingebette­t in und erklärt aus ihrem philosophi­sch-ideengesch­ichtlichen Kontext. Oper:

„Die Amerikaner sind uns technologi­sch meilenweit voraus.“

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BILD: SN/CLEVELAND ORCHESTRA/MASTROIANN­I Franz Welser-Möst und die Clevelande­r mit ihrer animierten Opernauffü­hrung.

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