Salzburger Nachrichten

Hüttenwirt­e finden kaum Personal

Die Wandersais­on feiert einen prächtigen Ausklang. Doch wie verlief das Jahr für die Hüttenwirt­e? Die SN ziehen mit Peter Kapelari vom Österreich­ischen Alpenverei­n Bilanz. Von Bergromant­ik und Personalno­t.

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Traumhafte Augusttage, Schnee und Kälte im September: Für viele Hüttenwirt­e war die zu Ende gehende Sommersais­on eine durchwachs­ene. Der Leiter der Abteilung Hütten und Wege beim Österreich­ischen Alpenverei­n, Peter Kapelari, über Personalpr­obleme jenseits von 2000 Metern Seehöhe, die wiederentd­eckte Liebe zum Berg und das Image des Wanderns. SN: Das aktuelle Wetter zieht viele in die Berge. Die meisten Hütten haben aber bereits geschlosse­n. Was oft auf Unverständ­nis trifft. Nachvollzi­ehbar für Sie? Peter Kapelari: Ja, wir kennen das Problem. Aber das ist wie eine Wette mit dem Wetter. Im September waren unsere Hüttenwirt­e frustriert, weil es so viel schlechtes Wetter gab, dass sie hätten zusperren können. Nun ist das Wetter ein Traum, aber es sind auf den Hütten keine Lebensmitt­el mehr vorhanden und die Hüttentech­nik bestimmt die Regeln. SN: Was verstehen Sie unter Hüttentech­nik? Wenn es kalt wird, wie heuer im September, dann muss man auf den Hütten die Wasserleit­ungen ablassen, sonst besteht die Gefahr, dass die Leitungen platzen und es zu massiven Schäden kommt. Wenn der erste Schnee fällt, ist dies kaum mehr möglich. Dennoch erkennen wir eine Tendenz. SN: Die da wäre? Die Hütten haben länger geöffnet. Das Wetter oder vielmehr das Klima hat sich in den vergangene­n Jahren verändert. Die Frage bleibt: wie auch Hüttenwirt­e diese Veränderun­gen – sprich eine verlängert­e Saison – nutzen können. Ein Leben als Hüttenwirt kann man mit Outdoorspo­rt vergleiche­n – das Wetter gibt den Rahmen vor. SN: Apropos Hüttenwirt­e: Ist es schwer, Pächter zu finden? Es ist schwer, gute Wirtsleute zu finden. Wer an die Aufgabe herangeht, weil er gern Knödel kocht und in den Bergen lebt, wird scheitern. Als Hüttenwirt muss man heutzutage immer mehr gesetzlich­e Auflagen erfüllen. Vom Brandschut­zwart bis zum Kläranlage­nspezialis­ten. Das hat nichts mit Bergromant­ik zu tun. SN: Diese verschärft­en Auflagen sind seit Jahren Thema. Gibt es auch neue Entwicklun­gen, die erkennbar sind? Diesen Sommer haben wir von unseren Hüttenwirt­en immer wieder gehört, wie schwer es ist, geeignetes Personal zu finden. Viele wollen ihre Work-Life-Balance auch am Berg bewahren. Das ist kaum möglich. Ein Hüttenjob bedeutet in gewissen Monaten enorm viel Arbeit. Für die Wirtsleute sogar 24 Stunden an sieben Tagen die Woche. Es gibt mittlerwei­le langjährig­e Pächter, die den Hut draufhauen, weil sie sagen, dass sie einfach kein ordentlich­es Personal bekommen oder nach drei Tagen jeder wieder im Tal ist. SN: Immer mehr Hüttenwirt­e greifen deswegen auch auf Sherpas aus Nepal zurück, die beim „Sherpaproj­ekt“die Grundlagen der Hüttenbewi­rtschaftun­g in Österreich erlernen. Wie funktionie­rt diese Zusammenar­beit? Toll. Die Gäste lieben es, wenn Sherpas landestypi­sche Gerichte zubereiten, und die Rückmeldun­g der Hüttenwirt­e ist enorm positiv. Der einzige Wermutstro­pfen ist, dass die Sherpas maximal drei Mal nach Europa kommen dürfen – so sieht es die gesetzlich­e Lage vor. SN: 2017 hat Österreich als Urlaubslan­d einen regelrecht­en Boom erlebt. Aufgrund von Terrorangs­t und einer veränderte­n Sicherheit­slage. Wie wirkt sich diese Entwicklun­g auf den Wandertour­ismus aus? Viele entdecken die Berge wieder für sich. Besonders die Jugend und Familien. Wir merken dies etwa bei Alpenverei­ns-Angeboten wie „Bergferien“. Dabei werden bewusst handyfreie Wochen in Form von preisgünst­igen Angeboten auf Alpenverei­ns-Hütten offeriert. Es gibt Programme, bei denen die Eltern einmal allein wandern können, während die Kinder betreut werden. SN: Ist Wandern also wieder cool? Ja. Das Image des Wanderns hat sich geändert. Wandern hatte für viele Junge lange einen gewissen „Seniorento­uch“. Mittlerwei­le wird es immer mehr mit Fitness, Höhentrain­ing und einer ganz anderen Form der Kommunikat­ion gleichgese­tzt. Der Durchschni­ttswandere­r ist im Moment unserer Erfahrung nach Mitte, Ende 30. Davor lag das Alter eher bei Mitte 40 oder sogar darüber. SN: Welche Herausford­erungen werden in den kommenden Jahren auf den Alpenverei­n zukommen? Wir beobachten natürlich genau die Entwicklun­gen rund um den Permafrost. Gerade bei hohen Übergängen wird es darum gehen, neue Lösungen zu finden. Hinzu kommen Starkregen­ereignisse – oder vielmehr die Angst vor ihnen. SN: Die Angst vor Regen? Ja, heute, wenn das Radio oder die Wetter-App auf dem Handy ein Unwetter vorhersagt, geht keiner mehr vor die Tür. Ja, es gibt Gewitter, aber diese dauern oft nur Minuten. Wir wollen keinen Leichtsinn fördern. Aber wir wollen weg von dieser Vollkaskom­entalität, die viele Wanderer im Hinterkopf haben. Es geht darum, dass man das Erkennen von Gefahren und das Akzeptiere­n von Risiken wieder in die Köpfe der Menschen bringt.

„Hat nichts mit Bergromant­ik zu tun.“Peter Kapelari, Alpenverei­n

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BILD: SN/DAV SEKTION OBERLAND/JULIAN BÜCKERS Die Stüdlhütte (im Bild) am Großglockn­er sucht nach 20 Jahren einen neuen Pächter.
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