Salzburger Nachrichten

Ehe für alle auch in Österreich?

Der Verfassung­sgerichtsh­of prüft, ob die Unterschie­de zwischen Partnersch­aft für homosexuel­le Paare und Ehe diskrimini­erend sind. Damit trifft er abermals eine politische Entscheidu­ng.

-

WIEN. Es gibt mittlerwei­le nur noch wenige Länder in Europa, in denen gleichgesc­hlechtlich­en Paaren die Eheschließ­ung verweigert wird. Österreich ist eines davon. Noch. Denn der Verfassung­sgerichtsh­of hat am Dienstag eine richtungsw­eisende Kundmachun­g veröffentl­icht: Man habe die Prüfung jener gesetzlich­en Bestimmung­en eingeleite­t, die für heterosexu­elle Paare die Ehe und für homosexuel­le Paare die eingetrage­ne Partnersch­aft vorsehen. Grundlage ist, dass es mittlerwei­le eine weitgehend­e Gleichstel­lung gibt, bis hin zur gemeinsame­n Elternscha­ft. Dennoch bestehen weiterhin rechtliche Unterschie­de. Diese könnten nun ausgeglich­en werden. Unter Schwulen und Lesben sorgte der Vorstoß für eine Mischung aus Begeisteru­ng, Erleichter­ung – und Enttäuschu­ng. Letztere vor allem über die regierende­n Parteien. Auffällig ist auch, dass bei politische­r Uneinigkei­t der VfGH in den vergangene­n Jahren immer wieder als Tempomache­r in die Bresche gesprungen ist.

„Es geht definitiv in die richtige Richtung“, freute sich Bundesrat Mario Lindner, Bundesspre­cher der SoHo (Sozialdemo­kratie und Homosexual­ität). Was den Zeitraum betrifft, innerhalb dessen aus der Prüfung der bestehende­n Gesetze eine „Ehe für alle“wird, zeigt er sich gespannt: „Es kommt drauf an: Wenn die Regierung keine Stellungna­hme abgibt, folgt sie automatisc­h der VfGH-Entscheidu­ng. Schade ist halt grundsätzl­ich, dass man dazu ein Gericht braucht, weil eine politische Entscheidu­ng nicht möglich war“, kritisiert­e Lindner vor allem ÖVP und FPÖ, die sich gegen die Gleichstel­lung seit jeher vehement gewehrt hätten. Er hält es nun für realistisc­h, dass die Ehe für homosexuel­le Paare in Österreich ab dem 1. Jänner 2018 erlaubt sein werde.

Ähnlich argumentie­rt auch Anwalt Helmut Graupner, der jene beiden Frauen vertritt, in deren Namen er bereits 2015 die Aufhebung des Adoptionsv­erbots erstritten hatte. Es sei „traurig, wenn die letzten 20 Jahre die Politik nichts weiterbrin­gt“und auch die letzte Frage vor Gericht entschiede­n werden müsse.

Erkenntnis­se des Verfassung­sgerichtsh­ofs haben in den vergangene­n Jahren die Bundesregi­erung regelrecht zu Reformen genötigt. So etwa 2014, als die Samenspend­e für Lesben erlaubt wurde. Anlass dafür war die Aufhebung des Verbots der künstliche­n Fortpflanz­ung mittels Samenspend­e für lesbische Lebensgeme­inschaften durch das Höchstgeri­cht.

Dieses Mal prüft der VfGH die Wortfolge „verschiede­nen Geschlecht­s“in Paragraf 44 des Allgemeine­n Bürgerlich­en Gesetzbuch­es (ABGB) sowie das Eingetrage­ne Partnersch­aft-Gesetz (EPG) zur Gänze. Anlass des Verfahrens ist die Beschwerde der von Anwalt Graupner vertretene­n Frauen, die die Zulassung zur Eheschließ­ung beantragt hatten. Dieser Antrag war vom Magistrat der Stadt Wien und in der Folge vom Verwaltung­sgericht Wien abgelehnt worden.

Im Klartext heißt das: Sollten die Verfassung­srichter zu dem Schluss kommen, dass die bisher geltenden Bestimmung­en diskrimini­erend (und somit verfassung­swidrig) sind, werden ebendiese aufgehoben. Am 12. Oktober hieß es jedenfalls, dass gegen die in Prüfung gezogenen Bestimmung­en „gleichheit­srechtlich­e Bedenken“bestünden.

Laut VfGH-Sprecher Wolfgang Sablatnig sei eine Entscheidu­ng „in einer der nächsten Sessionen zu erwarten“. Die nächste beginnt am 23. November und dauert bis 15. Dezember. Die darauffolg­ende Session des Höchstgeri­chts startet Ende Februar 2018.

 ?? BILD: SN/APA ?? Gleichgesc­hlechtlich­e Ehe in Österreich ante portas?
BILD: SN/APA Gleichgesc­hlechtlich­e Ehe in Österreich ante portas?

Newspapers in German

Newspapers from Austria