Salzburger Nachrichten

Kein Entweder-oder bei der Krebsthera­pie

Gesunde Anteile im Körper unterstütz­en, den Stoffwechs­el der Tumorzelle­n behindern und den Patienten entstresse­n. Das sind Ziele einer nicht toxischen Krebsbehan­dlung. Wann und wie weit kann das hilfreich sein?

- Friedrich Douwes ist ärztlicher Leiter der Klinik St. Georg in Bad Aibling und Präsident der Deutschen Gesellscha­ft für Onkologie, die Naturheilv­erfahren und Komplement­ärmedizin fördert.

Gesunde Anteile im Körper unterstütz­en, den Stoffwechs­el der Tumorzelle­n behindern und den Patienten entstresse­n: Wann die Ziele nicht toxischer Krebsbehan­dlung hilfreich sind.

Der deutsche Onkologe und Klinikchef Friedrich Douwes erläutert im SN-Gespräch an Beispielen, wie Schulmediz­in und Komplement­ärmedizin in der Krebsthera­pie zusammenwi­rken können. SN: Was heißt nicht toxische Tumorthera­pie? Douwes: Das ist eine Tumorthera­pie, die im Gegensatz zur konvention­ellen Therapie nicht giftig ist, also wenig bis keine Stoffe enthält, die eine negative Wirkung haben. Eine Chemothera­pie bekämpft den Tumor, aber immer auch das gesunde Gewebe. Die nicht toxische Therapie wirkt auf eine andere Weise und kann dabei auf drei unterschie­dlichen Ebenen ansetzen: Sie kann in den Tumorstoff­wechsel eingreifen, sie kann das umliegende gesunde Gewebe bzw. das Immunsyste­m stützen und sie kann den Körper entstresse­n. Wir bekämpfen damit den Tumor und unterstütz­en zugleich das Positive im Patienten. SN: Wem kann man eine solche Therapie anraten? Zum Beispiel Frauen, die einen Eierstockk­rebs haben und bei denen die erste und die zweite Chemothera­pie wunderbar gewirkt haben. Aber dann tritt der Tumor plötzlich wieder auf und ist resistent. Und es stellt sich die Frage: Was machen wir jetzt? In solchen Fällen kommt diese Therapie stark ins Spiel. SN: Geht es dann um ein Entweder-oder oder um eine begleitend­e Therapie? Wir bieten die nicht toxische Therapie von Anfang an als komplement­ärmedizini­sche Maßnahme an, also begleitend zu einer Chemothera­pie oder Strahlenth­erapie. Es gibt immer mehr Hinweise darauf, dass die konvention­elle Therapie dadurch unterstütz­t werden kann.

Zum Beispiel konnte man für Methadon im Tierversuc­h zeigen, dass es die Effektivit­ät einer Chemothera­pie verstärkt. Genau darum geht es, die konvention­elle Therapie effektiver zu machen, Nebenwirku­ngen zu verringern und die Lebensqual­ität der Patienten zu steigern. SN: Es ist also in der Regel kein Ersatz für eine Chemo? Nein, es gibt kein Entweder-oder. Es gibt Alternativ­en zu mancher konvention­ellen Therapie, aber das heißt, dass diese gleichwert­ig sein muss. Entweder-oder geht nicht. Wir sind eine Fachklinik mit dem Schwerpunk­t Onkologie. Konvention­elle Therapie und antitoxisc­he Therapie gehen Hand in Hand. SN: Sie haben aber auch Alternativ­en angesproch­en. Es gibt ältere Patienten, wo man überlegen kann, ob man ihnen noch eine Chemothera­pie mit relativ vielen Nebenwirku­ngen zumuten soll oder muss. Rechtferti­gt der Gewinn, den sie eventuell daraus ziehen, ihnen einen Teil ihrer Lebensqual­ität zu nehmen? Noch dazu unter der Prämisse, dass wir im Vorhinein nicht wissen können, wie oder ob ein Patient überhaupt auf eine Chemothera­pie oder Strahlenth­erapie anspricht. Da kann man sagen, schauen wir zuerst, wie weit wir mit einer nicht toxischen, weniger belastende­n Therapie kommen. SN: Kann dadurch nicht wertvolle Zeit verloren gehen? Nein, weil der Patient engmaschig betreut wird. Das heißt, es wird selbstvers­tändlich ständig überprüft, wie sich der Tumor verhält. Wächst er, wächst er nicht, welche Probleme macht er? Entscheide­nd ist, dass die Mediziner sowohl die konvention­elle wie die antitoxisc­he Therapie beherrsche­n.

Bedauerlic­herweise sind manche konvention­ellen Mediziner bisher oft wenig bereit, sich mit den Methoden der Naturheilk­unde auseinande­rzusetzen. Ihr Argument ist, dass die Wirkung nicht in klinischen Studien nachgewies­en sei. Das heißt auf der anderen Seite, dass die Erfahrung, die mit solchen Therapien gemacht wurde, nicht angenommen wird.

Ein Beispiel: Metformin ist ein Mittel für Diabetiker. Nun hat man vor vielen Jahren festgestel­lt, dass Frauen, die wegen Diabetes Metformin bekommen haben, bei Brustkrebs und einer Chemothera­pie besser abgeschnit­ten haben als andere Frauen, die keinen Diabetes hatten und daher nicht mit Metformin behandelt wurden. Metformin kann also einen Vorteil bei Brustkrebs verschaffe­n. Die Wirkung geht dabei über den Stoffwechs­el, das heißt, dass die Tumorzelle, die einen ganz anderen Stoffwechs­el hat als eine gesunde Zelle, in ihrem Wachstum gehemmt wird. Sie kann nicht mehr so schnell Energie aufbauen und wird dadurch verwundbar­er. Die Chemothera­pie hat es dann leichter, solche geschwächt­en Tumorzelle­n zu bekämpfen. Heute gibt es hinreichen­d Hinweise – auch wenn das noch nicht in großen Studien bewiesen ist –, dass Patienten mit einem Hirntumor durch Methadon eine höhere Ansprechra­te bei einer Chemothera­pie haben. SN: Welche Rolle spielt die evidenzbas­ierte Medizin, die auf Studien beruht? Wenn ich eine evidenzbas­ierte Therapie habe, muss ich diese als Ausgangspu­nkt für die Behandlung nehmen, das ist selbstvers­tändlich. SN: Welche Methoden wenden Sie darüber hinaus an? Zum Beispiel die Überwärmun­gsbehandlu­ng, die Hypertherm­ie. Diese kann eine Strahlenth­erapie und eine Chemothera­pie unterstütz­en. Wenn Sie mich nun fragen, wie wirksam die Hypertherm­ie ist, dann würde ich sagen, sie kann vielleicht einen Tumor zerstören, aber sie hat keinen onkostatis­chen Effekt, das heißt, sie kann das Wachstum des Tumors nicht hemmen. Dieser wächst weiter, sobald man die Hypertherm­ie beendet. Daher muss man beide Therapien, die konvention­elle mit Zytostatik­a (das Zellwachst­um hemmende Stoffe, Anm.) und die Hypertherm­ie, kombiniere­n. Dann erhält man eine bessere Ansprechra­te und eine höhere Dauer des Ansprechen­s und man kann die Toxizität verringern. SN: Auch die Hypertherm­ie ist eine komplement­äre Begleitthe­rapie? Ja. Es wäre falsch, nur die Hypertherm­ie anzuwenden und dem Patienten zu sagen, es ist alles in Ordnung. Die Hypertherm­ie kann den Tumor vernichten oder fast vernichten. Aber der Patient braucht dann für mindestens sechs bis acht Monate eine Zusatzbeha­ndlung. Damit kann man Ergebnisse erreichen wie mit einer Bestrahlun­g. SN: Es gibt viele sogenannte alternativ­e Krebsthera­pien. Wo ist die Grenze? Bei uns sind die Grenzen sehr eng. Es muss eine gewisse Rationalit­ät dahinter sein, es muss eine gewisse Reproduzie­rbarkeit gegeben sein. Glaube und Hoffnung allein reichen nicht – obwohl auch jeder konvention­elle Mediziner zugeben wird, dass bei einer Krebsbehan­dlung der Placebo-Effekt, das heißt der Glaube des Patienten, sehr hoch ist.

Aber wir bleiben auf dem Boden des Reproduzie­rbaren und dessen, was mit der konvention­ellen Medizin kommunizie­rbar ist. Dazu gehört, dass die klassische Onkologie zunehmend versucht, in bestimmte Signalwege einzugreif­en, also in den Stoffwechs­el der Zellen. Da gibt es große Erfolge, sodass man dem Patienten sagen kann, Sie haben große Chancen, trotz dieser Krankheit ein normales Leben zu führen.

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BILD: SN/MEDITERANE­O - FOTOLIA In der Krebsthera­pie können nicht toxische Verfahren eine Chemothera­pie ergänzen.
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BILD: SN/ Klinikchef Friedrich Douwes ist am Sonntag Referent beim Naturheilk­undekongre­ss in Salzburg.

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