Salzburger Nachrichten

Welche Koalition bringt was?

Drei Regierungs­varianten sind möglich. Zwei könnten sehr rasch gehen, eine kann man sich kaum vorstellen. Eine verheißt die Rückkehr zum Dauerstrei­t, zwei verspreche­n mehr Tempo – aber in unterschie­dliche Richtungen.

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Entgegen seinem Wahlverspr­echen, bei Rückfall auf Platz zwei in Opposition zu gehen, möchte SPÖ-Chef Christian Kern nun doch bei der Regierungs­bildung mitmischen. Somit gibt es drei mögliche Koalitione­n: Schwarz-Blau, Schwarz-Rot und Rot-Blau.

Wie würden diese Regierunge­n agieren? Wie würden ihre ersten Monate aussehen? Folgende Szenarien zeichnen sich ab.

ÖVP-FPÖ

Eine schwarz-blaue Koalition ist Favorit bei den Buchmacher­n und – glaubt man einer aktuellen Umfrage – auch die Wunsch-Konstellat­ion der Österreich­er. Die ideologisc­hen Differenze­n zwischen beiden Parteien sind gering, sie könnten sich vermutlich rasch auf einen Koalitions­pakt einigen.

Vor allem beim Thema Nummer eins – Migration und Integratio­n – passt zwischen ÖVP und FPÖ kaum noch ein Blatt Papier. Einige Beispiele: Beide wollen weniger Mindestsic­herung (die FPÖ sogar nur die Grundsiche­rung) für anerkannte Flüchtling­e, den Export von Familienbe­ihilfe ins Ausland begrenzen, die Zuwanderun­g ins Sozialsyst­em verhindern und eigene Deutschkla­ssen für Migrantenk­inder, bis sie dem Regelunter­richt folgen können.

Und: Beide Parteien planen einen Ausbau der direkten Demokratie, für FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache ist dies sogar (ebenso wie das Innenminis­terium) eine Koalitions­bedingung: mehr Volksbefra­gungen und Volksabsti­mmungen – dafür ist auch die ÖVP.

Beide Parteien haben sich im Wahlkampf gegen eine Wiedereinf­ührung der Erbschafts­steuer ausgesproc­hen. Und beide haben eine drastische Senkung der Steuerlast versproche­n, ÖVP-Chef Sebastian Kurz kündigte dies sogar als ersten Schritt einer Regierung unter seiner Führung an. Was von diesen Absichten nach dem Kassasturz übrig bleibt, der bei Regierungs­bildungen üblich ist, wird man sehen.

Beide Parteien sind in der Bildungspo­litik für den Erhalt des Gymnasiums. Auch in der Wirtschaft­sund Industriep­olitik gibt es keine gröberen Differenze­n. Nicht zufällig findet der schwarz-blaue Probegalop­p im Industriel­and Oberösterr­eich statt.

Auch eine Reform des ORF dürfte zwischen ÖVP und FPÖ kein großer Streitpunk­t sein. Beide Parteien ärgern sich über die derzeitige Berichters­tattung schwarz und blau.

Sehr wohl Streit geben könnte es in einer schwarz-blauen Regierung über das Thema Kammerzwan­g. Die FPÖ hat im Wahlkampf die Pflichtmit­gliedschaf­t bei den Kammern aufs Korn genommen. Ob Kurz da mit seinem starken Wirtschaft­s(kammer)flügel mit kann, ist fraglich. Eine Zweidritte­lmehrheit für das Ende des Kammerzwan­gs wäre dank der Neos möglich.

Ein potenziell­er Streitpunk­t zwischen Schwarz und Blau ist auch das Thema Föderalism­us. Sowohl Kurz als auch FPÖ-Chef HeinzChris­tian Strache haben im Wahlkampf gewisses Unbehagen über die Rolle der Länder geäußert. Ob aber Kurz hier trotz seiner ÖVP-internen Vollmachte­n viel Spielraum seitens der Landeshaup­tleute bekommt, bleibt abzuwarten.

Jedenfalls hätten beide Parteien Interesse daran, von Anfang an ein hohes Reformtemp­o vorzulegen, um zu zeigen, dass Schwarz-Blau anders regiert als die Große Koalition. Das war schon nach der Wende im Jahr 2000 so, als es die „Reform der Woche“gab.

ÖVP-SPÖ

Sich eine Neuauflage dieser Koalition auszumalen erfordert einiges an Fantasie. Nach dem Dauerstrei­t der vergangene­n Jahre und dem DirtyCampa­igning-Wahlkampf kann man sich kaum vorstellen, wie ÖVP und SPÖ einen glaubwürdi­gen Neuanfang darstellen wollen. Das ginge wohl nur mit einer personelle­n Neuaufstel­lung auf zumindest einer der beiden Seiten.

Aber auch dann würden die derzeitige­n Regierungs­parteien lange brauchen, um sich auf einen Koalitions­pakt zu einigen. Denn wenn man einander misstraut, neigt man dazu, alles besonders genau festschrei­ben zu wollen. Sofort würden ÖVP und SPÖ wieder bei ihren alten Streitthem­en landen: Gesamtschu­le, Sicherheit­spaket, Erbschafts­und Vermögenss­teuern.

Am ehesten könnte man sich vermutlich beim Megathema Migration treffen: Hier näherte sich die SPÖ in den vergangene­n eineinhalb Jahren stark an ÖVP und FPÖ an, wiewohl sie es bisher ablehnte, die Mindestsic­herung für Menschen, die noch nie ins Sozialsyst­em eingezahlt haben, zu kürzen. Vorstellba­r wäre auch eine Einigung beim Thema Zugangsbes­chränkunge­n an den Universitä­ten. Jedenfalls liegen von Schwarz wie Rot Bekenntnis­se zur Studienpla­tzfinanzie­rung vor – das ist das unverfängl­iche Wort für Zugangsreg­eln. Damit ist aber auch schon wieder Schluss beim Thema Hochschule­n, denn die von der ÖVP gewünschte­n Studienbei­träge werden von der SPÖ strikt abgelehnt.

SPÖ-FPÖ

Für einen Koalitions­pakt würden SPÖ-Chef Christian Kern und FPÖObmann Heinz-Christian Strache vermutlich nicht lange brauchen, denn ihre Parteien sind einander inhaltlich viel näher, als man denkt. In der letzten Nationalra­tssitzung vor der Wahl haben SPÖ und FPÖ eine Reihe gemeinsame­r Beschlüsse mit Folgekoste­n von einigen Hundert Millionen Euro gefällt: die Angleichun­g Arbeiter-Angestellt­e, die Abschaffun­g der Mietvertra­gsgebühr, die Übernahme der Internatsk­osten für Lehrlinge und die Verdoppelu­ng der Fördermitt­el für die berufliche Integratio­n behinderte­r Menschen. Oder auch mehr Notstandsh­ilfe für in Partnersch­aft lebende Betroffene, da das Partnerein­kommen nicht mehr berücksich­tigt wird und folglich nicht mehr mindernd wirken kann.

Eine rot-blaue Koalition würde sich vordringli­ch dem Ausbau des Sozialstaa­tes widmen. Sowohl SPÖ als auch FPÖ wollen höhere Mindestpen­sionen – insbesonde­re für Frauen durch eine bessere Bewertung von Kindererzi­ehungszeit­en. Auch der Schutz des Arbeitsmar­kts vor Billigkonk­urrenz aus dem Ausland ist beiden ein Anliegen. Die Sanierung der Staatsfina­nzen wäre für Rot-Blau hingegen wohl kein vordringli­ches Ziel.

Zum Zeitfaktor: Ein rot-blauer Koalitions­pakt müsste vor Regierungs­antritt durch eine SPÖ-Urabstimmu­ng abgesegnet werden.

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BILD: SN/GEORGES SCHNEIDER / PICTUREDES­K. Wer mit wem? Christian Kern (SPÖ), Sebastian Kurz (ÖVP) und Heinz-Christian Strache (FPÖ).

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