Salzburger Nachrichten

Im Guckloch zeigt sich eine verdrehte Welt

„Alice im Wunderland“hat schon viele Künstler inspiriert. In Linz führt die Geschichte nun zu einem Erlebnis-Parcours mit viel aktueller Kunst.

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Armer Hase. Im Buch „Alice im Wunderland“muss er immer den Gestresste­n spielen: „Keine Zeit, keine Zeit“, bekommt die Heldin Alice da ständig zu hören. In Linz wird einem Artgenosse­n des berühmten weißen Kaninchens nun eine Pause verordnet. Viel gemütliche­r sieht die freilich auch nicht aus: Mit Kopf und Vorderläuf­en ist das Tier im Briefschli­tz einer Tür verschwund­en, die Hinterläuf­e schauen noch heraus. Ob er sich auf diese Weise einen Zugang aus der Realität in die Fantasiewe­lt Lewis Carolls bahnen will? Das bleibt der Vorstellun­gskraft der Betrachter überlassen: Durch ein Guckloch in einer verschloss­enen Tür können sie die rätselhaft­e Szene sehen, die Künstlerin Andrea Loux in ihrer Installati­on „Bunny“inszeniert hat.

Abzweigung­en ins Wunderland lassen sich im OÖ Kulturquar­tier in Linz unterdesse­n an jeder Ecke entdecken. Die „verdrehte Welt“von Alice führt als Leitmotiv durch einen Parcours mit zeitgenöss­ischer Kunst, der vom Ausstellun­gshaus OK über Dachböden in den Ursulinenh­of und wieder retour führt.

Erlebnis-Parcours? Kunst? Linz? Wer bei diesen Schlagwort­en automatisc­h an den „Höhenrausc­h“denkt, liegt nicht verkehrt: Das Konzept, einen Ausstellun­gsrundgang mit spektakulä­ren Aussichten über den Dächern von Linz zu verbinden, hat sich seit dem Kulturhaup­tstadtjahr Linz09 als zugkräftig­er Programmpu­nkt etabliert. Heuer hat auch der „Höhenrausc­h“wegen Umbauarbei­ten auf den Dachfläche­n eine Pause verordnet bekommen. Mit einem „Sinnesraus­ch“will das Kulturquar­tier diesmal bis März statt weiten Ausblicken überrasche­nde Einblicke gewähren: „Alice im Wunderland“biete sich als inhaltlich­er roter Faden dafür besonders an, sagte Genoveva Rückert, die (gemeinsam mit Katharina Lackner) Kuratorin des Projekts ist: „Die Geschichte ist eine Inspiratio­nsquelle für sehr viele Künstler.“

Klein machen wie Alice muss man sich gleich beim Eingang: Eine enge Tür in einer gekrümmten, rosa Wand weist den Weg, der zunächst in den ehemaligen Theaterkel­ler führt. Die Absiedelun­g der Experiment­albühne, erläuterte Kulturquar­tier-Leiter Martin Sturm beim Presserund­gang, sei ebenfalls eine Situation gewesen, die einen Impuls für das Experiment „Sinnesraus­ch“gegeben habe: „Wir haben versucht, aus einem Verlust das Beste zu machen.“Der leere Theaterrau­m ist nun ein „interdiszi­plinärer Club“. Von hier führt der Parcours weiter in die virtuelle Realität: Das Künstlerdu­o depart lässt in seiner VR-Installati­on „The Lacuna Shifts“16 digitale, von der Alice-Geschichte inspiriert­e Räume erkunden. Weiter gehts über Dachböden, die erstmals öffentlich zugänglich gemacht werden, zum Dachstuhl der Ursulinenk­irche, wo Discokugel­n glitzern.

Hinter einem Kinder-ErlebnisSp­ielraum warten erneut Gucklöcher mit Installati­onen. Ein LewisCarro­ll-Zitat verweist auf die Gesetze der Wunderwelt: „Ich bin nicht verrückt, meine Realität ist nur anders als deine.“

Auch andere Maßstäbe werden in Frage gestellt: Esther Stocker lässt in einem Gang alle Raumdimens­ionen verschwimm­en, bei Pipilotti Rist wird eine Miniwelt lebendig. Alfredo Barsuglia stellt ein Zimmer auf den Kopf. Auch in den Fotografie­n von Jean-François Fourtou werden Normen verrückt, wenn ein riesiges Paar Füße in einem Zimmer steht. Kurt Hentschläg­er schickt die Besucher für die Installati­on „SOL“ins Dunkle und lässt mit Lichtimpul­sen Nachbilder auf der Netzhaut entstehen. Bei Cosima von Bonin darf sich der arme Hase endlich echt ausrasten – begleitet von Moritz von Oswalds entschleun­igten Elektro-Sounds.

Ausstellun­g: Sinnesraus­ch: Alice verdrehte Welt, Linz, OÖ Kulturquar­tier, 21. 10. 2017 bis 2. 4. 2018.

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BILD: SN/OÖ KULTURQUAR­TIER/SAXINGER Unterwegs in die Wunderwelt? „Bunny“von Andrea Loux (2006).

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