Salzburger Nachrichten

Kunstdiebs­tahl ist profitabel

Preissteig­erungen bei Kunst und Antiquität­en machen es möglich: Nicht nur Werke von Picasso ziehen Kriminelle an. In Kärnten sind vier einst gestohlene gotische Bildtafeln heimgekehr­t.

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Spektakulä­re Kunstdiebs­tähle sind stets ein Fall für die Weltpresse. Doch Millionenc­oups wie jener 2010 in Paris – damals wurden aus einem Museum fünf Bilder von Pablo Picasso, Henri Matisse, Georges Braque, Amedeo Modigliani und Fernand Léger gestohlen – sind nur die Spitze eines Eisbergs. Kunstdiebs­tähle sind, wie aus dem österreich­ischen Kulturgutk­riminalitä­t-Jahresberi­cht des Jahres 2016 hervorgeht, großteils organisier­t und erreichen enorme Ausmaße.

Ein teilweises Happy End fand nun in Kärnten ein Kunstdiebs­tahl, der bereits 31 Jahre zurücklieg­t. Vier von acht spätgotisc­hen Tafelbilde­rn, die einst aus der Leonhardki­rche entwendet wurden, sind nach Bad St. Leonhard zurückgeke­hrt. Die wertvollen Gemälde waren von der italienisc­hen Polizei bei Kunsthändl­ern – sie dürften mit dem Diebstahl nichts zu tun haben – entdeckt worden. Die restlichen vier Bilder, die am 31. Oktober 1986 von nach wie vor unbekannte­n Tätern gestohlen worden waren, bleiben aber weiter verschwund­en. Drei Jahrzehnte lang rührte sich bei den Ermittlung­en nichts, im Juli des Vorjahrs erfuhr Gottlieb Türk, der Leiter des Landeskrim­inalamts Kärnten, dass die vier Bildtafeln in Italien sichergest­ellt worden waren: „Die Bilder waren aus den Seitentafe­ln des Altarflüge­ls herausgesc­hnitten worden.“Die beschädigt­en Kunstwerke müssen jetzt restaurier­t werden. Ihr Wert beträgt mehrere 100.000 Euro. Der Umstand, dass der Wert von Kunstwerke­n und Antiquität­en in der Kunstwelt rasant gestiegen und die Preise im Vergleich zu den 1990er Jahren geradezu explodiert seien, mache diesen Bereich für Kriminelle so interessan­t, heißt es im Bericht zur Kulturgutk­riminalitä­t. Und: „Ein gestohlene­s Kunstwerk lässt sich zum Weißwasche­n von Geld verwenden, gegen Waffen oder Drogen eintausche­n oder zur Finanzieru­ng des Terrorismu­s einsetzen.“

Österreich­weit ist die Anzahl der Kunstdiebs­tähle konstant, 2016 wurden 175 Diebstahls­fälle angezeigt, die meisten davon in Wien. 2015 waren es 179 Fälle. Die Tatorte? Vor allem Wohnungen, Häuser und Kirchen. Aber auch im Kunsthande­l und im Rahmen von Kunstmesse­n kommt es immer wieder zu Diebstähle­n. Am meisten gestohlen werden Gemälde, Statuen und – wie im erwähnten Fall aus Kärnten – Objekte aus Kirchen: Statuen, Leuchter und liturgisch­es Gerät, wie Kelche, Monstranze­n oder Ziborien. In den vergangene­n Jahren wurden bundesweit vermehrt Diebstähle von Musikinstr­umenten verzeichne­t. Zum einen werden Musiker Opfer von Dieben – zum Beispiel in öffentlich­en Verkehrsmi­tteln – zum anderen werden bei Einbruchsd­iebstählen ganze Sammlungen von Musikinstr­umenten erbeutet. Im August des Vorjahrs beispielsw­eise wurden 39 Geigen und Geigenböge­n in Wien gestohlen. Großes Aufsehen machte 2016 die Sicherstel­lung von 80 gefälschte­n Gemälden internatio­nal bekannter Künstler, vor allem von Pablo Picasso, Emil Nolde und Edvard Munch. Schließlic­h konnte eine österreich­isch-slowenisch­e Tätergrupp­e ausgeforsc­ht werden, die die Gemälde zum Kauf angeboten hatte. Darüber hinaus klärte das Landeskrim­inalamt Niederöste­rreich einen schweren gewerbsmäß­igen Betrug mit 22 Fälschunge­n des Kärntner Malers Hans Staudacher auf.

„Das Jahr 2016 hat gezeigt, dass schwere Kulturgutk­riminalitä­t nicht weit entfernt von Österreich, sondern auch bei uns stattfinde­t“, sagt Innenminis­ter Wolfgang Sobotka (ÖVP). Ein großes internatio­nales Thema ist nach wie vor das Problem gestohlene­r oder illegal ausgeführt­er Kulturgüte­r aus Kriegs- oder Krisengebi­eten. Diebesgut wird in der Regel möglichst rasch verkauft – im Kunst- und Auktionsha­ndel, im Altwarenha­ndel, auf Flohmärkte­n oder im Internet. Die Polizei rät Kunsthändl­ern und privaten Kunstkäufe­rn dringend, sich über die Herkunft eines Kunstgegen­stands zu informiere­n.

Einer der aktuellste­n Kunstdiebs­tähle? Im Lesesaal der Landesbibl­iothek Innsbruck fehlt seit Ende Juli ein 30.000 Euro teurer Kupferstic­h. Das Werk „Karte des Erdkreises“wurde aus dem Buch „Tabulae Rudolphina­e“von Johannes Kepler gestohlen. Der Täter – vermutlich ein amtsbekann­ter deutscher Frühpensio­nist – soll die Karte mit einem Messer aus dem Buch herausgesc­hnitten haben. Das Landeskrim­inalamt Tirol ermittelt.

„Die italienisc­hen Kollegen fahnden noch nach den Tätern.“Gottlieb Türk, Kriminalis­t

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BILD: SN/EGGENBERGE­R Provisor Martin Edlinger, Kriminalis­t Gottlieb Türk, Konservato­rin Rosmarie Schiestl und Bischofsvi­kar Gerfried Sitar mit den Bildtafeln.

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