„Mir macht es noch Spaß“
Reinhold Würth denkt mit 82 Jahren nicht ans Aufhören. Der Firmenpatriarch glaubt an Digitalisierung, die Menschen braucht.
Mit 19 Jahren musste Reinhold Würth nach dem Tod des Vaters den Zwei-Mann-Betrieb übernehmen. Heute hat der baden-württembergische Montage- und Befestigungsspezialist Würth 72.000 Mitarbeiter in 80 Ländern und machte im Vorjahr einen Umsatz von 11,8 Milliarden Euro. Firmenpatriarch Würth redet immer noch ein gewichtiges Wörtchen mit, auch wenn seine Tochter Bettina die Gruppe kontrolliert. In seiner zweiten Heimat Salzburg sprach der deutsch-österreichische Doppelstaatsbürger über das Loslassen, Sparsamkeit und darüber, dass Digitalisierung auch Menschen braucht. SN: Es fällt auf, dass in Ihrer Branche die Digitalisierung bei Weitem nicht so weit fortgeschritten ist wie in anderen Wirtschaftszweigen. Die Hälfte der 72.000 Würth-Mitarbeiter ist im Außendienst tätig. Sie machen heute 15 Prozent Umsatz via Internet, in zehn Jahren sollen es mindestens 35 Prozent werden. Dennoch bauen Sie den Außendienst weiter aus. Wie passt das denn zusammen? Würth: Vor 25 Jahren hatte man die These vertreten, dass heute keine Firma mehr Außendienstmitarbeiter brauchen würde. Diese These war komplett falsch. Wir treiben die Digitalisierung in unserem Unternehmen massiv voran und investieren dreistellige Millionensummen in den Ausbau des Internet-Shops. Die Aufgabe der Außendienstler verändert sich natürlich. Aber Wirtschaft wird auch künftig nicht von Robotern und Computern gemacht, sondern von Menschen. Menschen haben Gefühle und möchten kom- munizieren, Beziehungen haben. Zudem bringen wir ständig neue Produkte auf den Markt, da unsere Branche sehr innovativ ist. Dübeltechnik etwa ist ein echtes Hightech-Gebiet, das Verbinden von Metall mit Kohleverbundstoffen ein ganz neues Gebiet. Verkäufer werden mehr zu Trainern, um die richtige Anwendung sicherzustellen. SN: Die Produkte von Würth sind heute Hightech, Sie werden aber immer als Schraubenkönig tituliert. Nervt Sie das? Dieser Ausdruck ist dumm. Denn ein König braucht Untertanen, und Schrauben reagieren nicht. SN: Unter einem König stellt man sich auch immer einen reiferen Mann vor. Sie sind 82 Jahre alt, haben die operative Führung zwar an ein externes Management abgegeben, das von Ihrer Tochter Bettina als Beiratsvorsitzender kontrolliert wird. Doch als Aufsichtsratschef der Familienstiftungen, der Eigentümer des Unternehmens, haben Sie noch immer große Macht und arbeiten sehr viel. Können oder wollen Sie nicht loslassen? Wir haben im Herbst immer unsere Commitment-Konferenzen, zu denen die Geschäftsleitungen aus der ganzen Welt kommen, um die Pläne fürs kommende Jahr zu vereinbaren. Dort habe ich zum Beispiel heute eine Dreiviertelstunde lang einen Vortrag gehalten, das freut mich. Ich habe ja gerade mein 69. Berufsjahr begonnen. Wenn ganz wichtige Entscheidungen zu treffen sind, dann fragen mich Bettina und die Geschäftsleitung schon, ob das in meinem Sinn ist. Die finale Macht sitzt im Stiftungsaufsichtsrat. Und solange es Spaß macht, mache ich weiter. Es heißt, der Würth könne nicht loslassen, er gebe die Macht nicht aus der Hand, aber das stimmt nicht, ich halte mich sehr zurück, obwohl ich nach dem Reglement die volle Macht hätte. Ich kann jeden Geschäftsführer entlassen und könnte auch Bettina entlassen, weil die Macht im Aufsichtsrat sitzt. Aber davon mache ich überhaupt keinen Gebrauch, ich halte mich unglaublich zurück. Für mich ist es viel wichtiger zu beobachten, wie sich das Unternehmen von mir wegentwickelt und wie es nach mir funktioniert. SN: Sie wollten die Führung des Unternehmens ursprünglich Ihrer Tochter als vierfacher Mutter nicht zumuten. Wie sehen Sie das heute? Ich bewundere meine Tochter Bettina, wie sie diese Aufgabe löst. Und in der Öffentlichkeit wird es ja sehr wohlwollend gesehen, dass das eine Frau macht. SN: Sie sind einer der reichsten Deutschen. Doch über Sie werden stets Anekdoten über Ihre Sparsamkeit, die manchmal auch als Geiz bezeichnet wird, erzählt. Ist das Koketterie, weil es zu Ihrer Lebensgeschichte passt, oder wollen Sie damit tatsächlich etwas bewirken? Ein klein bisschen Koketterie ist dabei. Denn im Grunde ist es egal, ob die Lampe über Nacht brennt oder nicht. Aber wenn niemand da ist, muss das doch nicht sein. Darum schalte ich das Licht aus und sage das auch. Insgesamt möchte ich meine Jugend, in der wir echtes Sparen gelernt haben, nicht missen. Heute wird oft etwas gekauft, das nicht gebraucht wird. Das muss nicht in Geiz ausarten, aber es sollte eine Balance zwischen Kaufen von sinnvollen Dingen und dem Kaufen, dem ein gewisses Verprassen von Geld innewohnt, herrschen. SN: Sie haben neben der deutschen auch die österreichische Staatsbürgerschaft. In beiden Ländern wurde soeben gewählt. Sind Sie mit den Ergebnissen zufrieden? Ich bin ein fanatischer Europäer. Es liegt glasklar auf der Hand, dass wir in Europa gegenüber den Blöcken China, USA und Russland nur bestehen können, wenn wir zueinanderstehen. Was will denn Belgien gegen China unternehmen? Ich bin sehr dankbar, dass Emmanuel Macron in Frankreich gewählt wurde. Es ist in Ordnung, wenn wir in Europa überall gleiche Lebensbedingungen schaffen, wenn wir damit in Frieden und Freiheit leben können. SN: Stichwort Freiheit. Sie haben im Sommer in den USA für Schlagzeilen gesorgt, als Sie mit Ihrem 85 Meter langen Boot in New York die Sicht auf die Freiheitsstatue beeinträchtigt haben. Wie kam es dazu? Wenn man den Hudson rauffährt, braucht man einen Lotsen, und der hat gesagt, hier ist der offizielle Parkplatz. Das wurde dann absichtlich so fotografiert, als würde niemand mehr die Freiheitsstatue sehen können.
Reinhold Würth hielt am Dienstag beim Industrie- & Zukunftsforum Salzburg von Oberbank, Industriellenvereinigung Salzburg und „Salzburger Nachrichten“einen Vortrag. Allein in Österreich beschäftigt die Würth-Gruppe knapp 3000 Mitarbeiter, die 502 Millionen Euro erwirtschaften.