Der Spieltrieb als Schlüssel zu erfolgreichen Geschäften
Dank Digitalisierung lassen sich langweilige Tätigkeiten in spannende Spiele verwandeln. Am Beispiel Kinderzahnbürste kann man zeigen, wie das neue Geschäftsmodell funktioniert.
Über das Spiel zum Erfolg – diesen Ansatz verfolgen immer mehr innovative Geschäftsmodelle von Start-ups. „Gamification“heißt der Trend, trockene Prozesse in Spiele zu verwandeln. Ein Wirtschaftslexikon definiert das als „Übertragung von spieltypischen Elementen und Vorgängen in spielfremde Zusammenhänge“. Die Möglichkeiten der Digitalisierung verstärken diesen Trend, indem sie die Interaktion zwischen Mensch und Maschine möglich machen.
Ein besonders ausgeklügeltes Beispiel dafür ist Playbrush, ein kleines Gerät, das eine Kinderzahnbürste in ein interaktives Computerspiel verwandelt und so Kindern das Zähneputzen schmackhaft machen soll. „Kein Drama mehr im Badezimmer, weil Kinder nicht Zähneputzen wollen“, verspricht das 2014 gegründete Start-up-Unternehmen mit Sitz in Wien und London, das von zwei Österreichern und einem Nigerianer gegründet wurde.
Die Idee entstand aus persönlicher Betroffenheit, erzählt der Kogründer von Playbrush, Matthäus Ittner. „Es ging darum, ein Kind aus dem Familienkreis zum Zähneputzen zu animieren“, aus diesem Grund entwickelte Firmengründer Paul Varga zusammen mit einem Studienkollegen eine erste Version, in die auch das Know-how von Zahnärzten und Eltern einfloss.
Das funktioniert so: Ein elektronischer Aufsatz verwandelt jede beliebige Kinderzahnbürste in die Steuerungseinheit für ein Videospiel, das am Smartphone oder Tablet als App heruntergeladen werden kann. Der Aufsatz überträgt die Bewegungen der Zahnbürste, eine Software verwandelt sie in Spielimpulse. Da könnten Kinder etwa grüne Zahnmonster bekämpfen, sagt Ittner, oder aber sie retten die Zahnfee, fliegen im Flugzeug auf einen Zahnstern oder bemalen Bilder. Die Putzbewegungen steuern die Spielfiguren über eingebaute Bewegungssensoren. Beim Spiel Utoothia etwa soll das Kind angreifende Monster von der rechten Seite abwehren, indem es die Zähne auf der rechten Seite putzt. So kann das Kind animiert werden, wo und wie lang auf einer Seite geputzt wird.
Damit ist der Aufsatz, der eine Zahnbürste in ein Spiel auf dem Mobiltelefon verwandelt, eine geradezu klassische Anwendung für Gamification. Wie und vor allem warum das funktioniert, erklärt Wirtschaftspsychologe Erich Kirchler von der Universität Wien so: „Spiele ziehen unsere Aufmerksamkeit an, machen neugierig und können deshalb faszinieren, weil eine spannende Herausforderung oder ein spannender Wettbewerb hergestellt wird.“Das mache spielerisch dargestellte Aufgaben motivierender als trockene Inhalte. Solche Programme wecken auch den Spiel- und den Jagdtrieb im Menschen. Weil das die Motivation und die Bereitschaft erhöht, sich mit wenig spannenden Dingen zu beschäftigen, eignet sich Gamification vor allem zum Einsatz in Bereichen, die zwar als nützlich gelten, per se aber kaum Lustgewinn wecken. Eine Paradeanwendung liegt daher im Bereich der Pädagogik, etwa in der Aneignung von Lehrstoff. Oder eben zur Erfüllung unangenehmer Aufgaben wie Reinigung oder Eingabe von Daten.
Dass solche Modelle beträchtliches Potenzial haben, zeigt das Beispiel Playbrush. Derzeit arbeitet man auf Hochtouren, um das Angebot von fünf Spielen zu erweitern. Das Geschäft ist vielversprechend angelaufen, mehr als 10.000 Aufsätze wurden in 25 Länder verkauft, meist über den Online-Shop.
Die Finanzierung scheint sichergestellt. Nach einer ersten Runde mit Business Angels und Crowd Financing schossen kürzlich Investoren – neben Hansi Hansmann auch Speedinvest und der ehemalige Rennfahrer Harold Primat – zwei Millionen Dollar zu, um weitere Investitionen zu finanzieren.
Die nächsten Ziele? „Wir arbeiten an einem Abo-Modell, das an den Kauf einer neuen Zahnbürste erinnert“, sagt Ittner. Darin sehen die Playbrush-Macher noch Fantasie. Denn laut Studien werden Kinderzahnbürsten kaum öfter als zwei Mal jährlich ausgetauscht. Zahnärzte raten aber dazu, die malträtierten Borsten alle zehn bis zwölf Wochen zu wechseln. Außerdem will man schrittweise neue Märkte erobern, die USA und Frankreich (in Kooperation mit Unilever) hat man bereits im Visier.
Kürzlich haben die Jungunternehmer auch den Vertrieb in Österreich auf neue Beine gestellt. War Playbrush bisher nur über die Website und in ausgewählten Geschäften erhältlich, sind die Aufsätze seit wenigen Wochen auch in den 614 Bipa-Filialen landesweit vertreten.
„Spiele wecken Aufmerksamkeit und Neugier.“Erich Kirchler, Psychologe