Was das Roaming-Aus kostet
Der Wegfall der Zusatzkosten für die Handynutzung im EU-Ausland macht kleinen Anbietern einen Strich durch die Rechnung. Hofer-Betreiber HoT kämpft jetzt für tiefere Einkaufspreise.
Seit Juni gehören RoamingKosten für die Handynutzung im EU-Ausland der Vergangenheit an. Das soll den Binnenmarkt auch für Telekom-Services öffnen und so das Zusammenwachsen Europas fördern. Der Zweck sei klar erfüllt worden, sagt Mobilfunk-Profi Michael Krammer. Der Ex-Manager von Orange, Telering und max.mobil leitet heute die Hofer-Mobilfunkmarke HoT. Nach seinen Untersuchungen hat die Handynutzung im Ausland vom Sommer 2016 zum Sommer 2017 kräftig zugelegt.
Die durchschnittliche Gesprächsdauer hat sich mehr als verdoppelt, die mobile Datennutzung lag 13 Mal über dem Volumen von vor einem Jahr. Weil aber mehr Kunden länger im Ausland waren, sei das tatsächliche Verkehrsvolumen noch rasanter gestiegen, bei SMS um den Faktor 2, bei Gesprächsminuten um den Faktor 3 und beim Datenvolumen um den Faktor 22.
Unterm Strich heiße das, seit dem Wegfall der teuren Auslandstarife verwendeten Kunden ihr Mobiltelefon genau so wie zu Hause, sagt Krammer. Damit sei das Ziel „roam like at home“zu 100 Prozent aufgegangen. „Es gibt keine Verhaltensunterschiede mehr“zwischen der Nutzung im In- und im EU-Ausland.
Doch was für die Kunden gilt, gilt noch lange nicht für die Betreiber. Sie verrechnen sich die Gebühren untereinander, wobei die EU-Verordnung die Einkaufspreise festlegt. Diese betrügen mindestens das Vier- bis Fünffache der nationalen Einkaufspreise, beklagt Krammer. Während die großen Betreiber die Kosten „von der linken in die rechte Tasche schieben“könnten, komme es kleine Anbieter teuer zu stehen. Für HoT etwa heißt das, „während die Umsätze aus EU-Roaming um 55 Prozent gesunken sind, stiegen die Kosten um 315 Prozent“. Die Margen seien hier massiv eingebrochen. Krammer fordert, dass auch die vorgeschriebenen Einkaufspreise auf nationales Niveau angeglichen werden. Auch der Fachverband Telekom sieht eine massive „Schieflage“für heimische Anbieter zugunsten von Betreibern in anderen Ländern und fordert eine rasche Evaluierung der Kosten durch die EU noch heuer. Heimische Anbieter müssten bis zum Fünffachen mehr zahlen als früher, kritisiert FachverbandsGeschäftsführer Philipp Graf.
Für das Geschäft 2017 ist Krammer dennoch optimistisch, starke Zuwächse – drei Viertel des relevanten Mobilfunkwachstums gehen auf das Konto von HoT – machten die Mehrkosten wett. Zugleich macht HoT seine Tarife attraktiver, zum gleichen Preis wie bisher erhalten Kunden ab sofort mehr Nutzungsdauer.
Als Chef der Telekom-AustriaTochter A1 steht Krammer übrigens nicht zur Verfügung.