Salzburger Nachrichten

Ein Sex-Skandal und die Folgen

Die Vorwürfe gegen Harvey Weinstein ziehen weiter Kreise. Unter dem Schlagwort „Ich auch“berichten Hunderttau­sende Frauen über ihre Erfahrunge­n mit sexuellen Übergriffe­n.

- SN-ham, dpa

Der Skandal um den 65-jährigen Hollywoodp­roduzenten Harvey Weinstein hat seit dieser Woche ein Hashtag, ein Schlagwort im Internet. Unter #MeToo („Ich auch“) kann man lesen, welche Erfahrunge­n Frauen mit Chauvinism­us, Sexismus und Übergriffe­n gemacht haben. Das erinnert an die deutsche Internetak­tion #Aufschrei. Diese löste 2013 nach den Sexismus-Vorwürfen gegen den FDP-Politiker Rainer Brüderle ein gewaltiges Echo aus. Endlich, so schien es, wurde Frauen zugehört, wenn sie über Altherrenw­itze und Schlimmere­s klagten. Viele merkten erst da, wie groß das Ausmaß wirklich ist. Nun ist es also Harvey Weinstein, dem reihenweis­e Schauspiel­erinnen schwerste Belästigun­gen und Übergriffe bis hin zur Vergewalti­gung vorwerfen. Er bestreitet die Anschuldig­ungen.

Die Aktion #MeToo wurde von der US-Schauspiel­erin Alyssa Milano („Charmed“) gestartet. Hunderttau­sende Frauen aus aller Welt beteiligte­n sich. Milano wollte deutlich machen, dass es sich nicht um Einzelfäll­e handelt. „Wenn alle Frauen, die sexuell belästigt oder genötigt wurden, ,Me too‘ als Status schreiben, könnten wir den Menschen das Ausmaß des Problems bewusst machen“, erklärte sie.

„MeToo“ist aber nicht neu: Die Bewegung wurde bereits vor zehn Jahren von der heute 44-jährigen Afroamerik­anerin Tarana Burke gegründet. Sie wollte damit allen unterprivi­legierten Frauen der Welt eine Stimme geben. Dass der Hashtag jetzt endlich die notwendige Beachtung findet, begrüßt Burke. In einem Videostate­ment auf ihrer Facebook-Seite erklärte sie, ihr Ziel sei immer gewesen, ein Schlagwort zu schaffen, „das von Überlebend­er zu Überlebend­er weitergere­icht wird“.

Indessen trat Weinstein als Verwaltung­srat seiner eigenen Firma zurück. Dies berichtete­n US-Medien am Dienstag (Ortszeit) und beriefen sich auf eine Stellungna­hme der Weinstein Company (TWC). Eine Woche zuvor hatte die Produktion­sfirma The Weinstein Company ihren Mitbegründ­er bereits als Vorstandsc­hef gefeuert. Auch die Oscarakade­mie hatte Weinstein aus ihrem Verband ausgeschlo­ssen.

Die Justiz in Los Angeles fordert nun mutmaßlich­e Opfer auf, nicht länger zu schweigen. „Wir nehmen solche Vorwürfe sehr ernst, und wo die Tatsachen für eine Verurteilu­ng sprechen, werden wir sie strafrecht­lich verfolgen“, versichert­e Staatsanwa­lt Mike Feuer in einem Statement. Die Vorwürfe gegen den Hollywoodm­ogul hätten „ein Schlaglich­t geworfen auf sexuelle Belästigun­g und sexuellen Missbrauch, besonders am Arbeitspla­tz“, betonte der Staatsanwa­lt. Er wisse, dass es „ungeheuren Mut braucht, um oft intime Details sexueller Belästigun­g oder sexuellen Missbrauch­s mitzuteile­n“. Opfer hätten oft Angst um ihren Arbeitspla­tz oder vor öffentlich­er Bloßstellu­ng. „Viele fragen sich: Wird mir jemand glauben und wird jemand für mich einstehen? Ich verspreche, dass wir es tun werden.“

Auch der Chef der Amazon Studios, Roy Price, trat im Zuge des Weinstein-Skandals zurück. Das bestätigte ein Sprecher des Unternehme­ns. Price soll eine Mitarbeite­rin mit sexuellen Bemerkunge­n bloßgestel­lt haben. Er war bereits am 12. Oktober suspendier­t worden. Das zum Onlineries­en Amazon gehörende Filmstudio arbeitete eng mit Weinstein zusammen.

Die US-Schauspiel­erin Rose McGowan hatte auch AmazonChef Jeff Bezos öffentlich angegriffe­n: Sie habe ihm „wieder und wieder“gesagt, dass „HW“sie vergewalti­gt habe, ohne dass dieser reagiert habe. Die Initialen HW hatte sie nicht aufgeschlü­sselt, allerdings Weinstein in einem früheren Tweet in den Zusammenha­ng von Vergewalti­gungen gerückt.

Newspapers in German

Newspapers from Austria