Blunzn-Radl Deluxe
Heute tauchen wir tief in die kulinarische Welt der pannonischen Tiefebene ein. Es gibt Blunzn-Radl-Grammelpogatscherl – zubereitet von einem überqualifizierten Mediziner.
WIEN, UNTERWART. Bennoplatz, mitten im achten Wiener Bezirk. Wir stehen vor dem Beisl Prinz Ferdinand und warten auf Franz Tschurlovich. Er hat uns mit der Einsendung seines Rezepts Blunzn-Radl-Grammel-Pogatscherl mit Mangokraut überzeugt. Was heißt überzeugt? Er hat uns damit vom Hocker gerissen. Auch sein Kochpate, der ehemalige Drei-Sterne-Koch Emanuel Weyringer, brachte nach dem Lesen des Rezepts nur noch heraus: „Wahnsinn – der kann kochen!“Weshalb sein „Senf“(siehe rechts) heute auch viel mehr Platz braucht als sonst.
Franz Tschurlovich ist im burgenländischen Unterwart daheim. Dort haben die SN nicht gerade viele Abonnenten. „Genau genommen gibt’s zwa“, sagt Tschurlovich. „Treff’ ma uns besser in Wien. Sonst verwechselt ihr uns womöglich.“Dabei dürfte es trotz seiner Ähnlichkeit zu Jean Reno unmöglich sein, Franz Tschurlovich mit irgendjemandem auf der Welt zu verwechseln. Er ist zwei Meter groß und Urologe von Beruf. Seine Praxis führt er in Oberwart. Drinnen im Prinz Ferdinand breitet er sofort seine Zutaten aus. Sogar eine originalverpackte medizinische Pinzette hat er dabei: „So eine benutze ich auch in der Praxis“, erzählt er – und dass sich viele medizinische Werkzeuge auch zum Kochen eignen. Tschurlovich nimmt es beim Kochen sehr genau. Die Messer sind ihm nicht scharf genug. „Die wurden erst vor vier Tagen geschliffen“, sagt Küchenchefin Dragana Vucko. Als Arzt empfiehlt er tägliches Schleifen. Das hat einen guten Grund. Schlecht geschliffene Messer zerreißen die Haut, wenn man sich schneidet. Ein scharfer Schnitt beschleunigt die Heilung.
Eine gesunde Schärfe zeichnet auch das Mangokraut aus, das Tschurlovich jetzt zubereitet. Dennoch wollen wir zunächst wissen, was ein Grammelpogatscherl ist.
Tschurlovich antwortet: „Die Ungarn sagen Tepertős pogácsa.“Aha. Wer keine Pogatscherl auftreiben könne, der könne aber auch Laugengebäck oder Vinschgerl nehmen. Die Zubereitung von Grammelpogatscherln ist aber ohnehin keine Zauberei. Sie benötigen einen feinen Germteig, geben Rahm oder Wein hinzu und vermengen den Teig mit klein gehackten Grammeln. Dann wird der Teig ausgerollt und ähnlich wie beim Blätterteig mehrmals übereinandergeschlagen. Jetzt Fleckerl ausschneiden, mit Ei bestreichen und im Rohr backen. Fertig.
Auch bei der Zubereitung von Würsten kennt sich Tschurlovich aus. Die Arbeit überlässt er aber lieber seinem Metzger. Auf Hochdeutsch heißt die Blunzn Blutwurst, auf Französisch Boudin noir, auf Spanisch Morcilla und auf Holländisch Bloedworst – was für Deutschsprachige noch blöder klingt als der englische „black pudding“. Die Blutwurst taucht weltweit in zahllosen Formen auf: von der Thüringer Rotwurst bis zur Blutbregenwurst, die mit Schweinefleisch, -hirn, -herz, -magen und -lunge. Für seine BlunznRadl empfiehlt er nur geselchte Blutwürste, die er vor dem Braten mit dem chinesischen „Fünfer-Gewürz“vollendet. Dann richtet er mit dem Mangokraut kleine „Loaberl“an. Es schmeckt magisch! Tschurlovich dürfte der letzte Mageiros der Welt sein. Diesen Berufstitel trugen im antiken Griechenland die Metzger, die Mediziner – und der Koch.