Gebt den Katalanen eine Selbstregierung wie Südtirol!
Was in diesen Tagen in und um Katalonien geschieht, ist eine Niederlage Europas. Eine Lösung gibt es nur durch konstruktiven Dialog.
Unser Kontinent ist stolz auf seine Tradition der Aufklärung und Vernunft. Wir verstehen uns als Weltregion von Demokratie und Recht. Aber Spanien, seit Jahrzehnten Demokratie und wichtiges EU-Mitglied, ist außerstande, einen inneren Konflikt zivilisiert zu lösen. Und das politisch organisierte Europa schaut zu, wie durch diese Staatskrise der Frieden aufs Spiel gesetzt wird.
Sind wir noch bei Sinnen? Oder sind wir völlig verrückt geworden? Aus blutigen Katastrophen haben wir in Europa lernen müssen, Interessengegensätze möglichst durch Kompromisse zu überwinden. Aber dafür braucht es weitblickende Politiker statt die Emotionen aufpeitschende Macht-Egomanen.
Der katalanische Regierungschef Carles Puigdemont will die Unabhängigkeit auf Biegen und Brechen. Er ist im Unrecht. Der Premier mag noch so gute Argumente für eine echte Autonomie oder gar eine Eigenständigkeit vortragen. Aber sie taugen nichts ohne Respekt für Rechtsstaat und Verfassungsprinzipien. Spaniens geltendes Grundgesetz erlaubt kein Referendum über die Unabhängigkeit einer Region. Wäre Puigdemont klug oder gar mutig, würde er jetzt Neuwahlen in Katalonien ausrufen. Damit ließe sich feststellen, wie groß der Rückhalt für seinen Kurs wirklich ist. Mit einer starken Mehr- heit im Rücken könnte er dann in Verhandlungen mit Madrid für seinen Standpunkt werben.
Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy hat mit Sturheit die Absonderungs-Aspirationen der Katalanen erst angefacht. Er mag im Recht sein mit seinem Nein zu solchen Bestrebungen. Aber was nützt es ihm politisch, wenn Spanien die bestehenden Autonomierechte Kataloniens kassiert und als Besatzungsmacht im eigenen Land auftritt? Der Premier wird auch jene Katalanen, die zu Spanien halten, gegen sich aufbringen. Wäre Rajoy klug oder gar mutig, würde er jetzt den Weg freimachen für Verhandlungen über eine Verfassungsreform, die auch die Möglichkeit eines Referendums nach schottischem Modell fixiert. Er könnte dann den Katalanen klarmachen, dass sie mit einer Selbstregierung innerhalb des Staates viel besser leben als außerhalb Spaniens.
Die europäischen Institutionen müssen sich in den Katalonien-Konflikt einschalten. Sie hätten es längst tun müssen. Der Streit zwischen Madrid und Barcelona ist keine innerstaatliche Angelegenheit, sondern ein europäisches Problem mit Beispielsfolgen. Wenn in Europa der Hut brennt, sind Aussagen der EU absurd, es gehe hier um eine „innerspanische“Frage.