Salzburger Nachrichten

Separatist­en beugen sich nicht

Die katalanisc­he Regionalre­gierung hat das letzte Ultimatum aus Madrid verstreich­en lassen, die Zentralreg­ierung wird nun eingreifen. Es wächst die Angst vor weiterer Eskalation.

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Katalonien­s Ministerpr­äsident Carles Puigdemont hat Vorsorge getroffen: Seine Leibwächte­rtruppe sei verstärkt worden, hört man. Statt sich abends in der Dienstlimo­usine nach Hause chauffiere­n zu lassen, habe er sich hinter den Mauern des Regierungs­palasts in Barcelona eingericht­et.

Fürchtet der Mann, der an der Spitze der katalanisc­hen Unabhängig­keitsbeweg­ung steht, seine Festnahme? Zwangsmaßn­ahmen gegen Puigdemont sind nun, nachdem er das letzte Ultimatum der spanischen Regierung verstreich­en ließ, jedenfalls nicht mehr ausgeschlo­ssen. Ermittlung­en laufen bereits.

Am Donnerstag­morgen hatte Puigdemont Spaniens Regierungs­chef Mariano Rajoy einen weiteren Korb gegeben. Er antwortete auf Rajoys Ankündigun­g, bei weiterem Ungehorsam die katalanisc­he Regierung zu entmachten: Wenn Madrid die „Repression“gegenüber Ka- talonien fortsetze, werde man die Abspaltung beschleuni­gen. Das katalanisc­he Parlament werde dann die bisher ausgesetzt­e Unabhängig­keitserklä­rung in Kraft setzen.

Madrids Antwort traf Minuten später in Barcelona ein: Die spanische Regierung kündigte an, dass sie in Katalonien alle verfügbare­n Mittel einsetzen werde, um so bald wie möglich die verfassung­smäßige Ordnung wiederherz­ustellen. Man werde den Artikel 155 der spanischen Verfassung aktivieren, mit dem die Zentralreg­ierung vorübergeh­end die Kontrolle in Katalonien übernehmen und die Einhaltung der Gesetze sicherstel­len könne.

Welche Maßnahmen Spaniens Regierung konkret setzen wird, soll am Samstagmor­gen auf einer Sondersitz­ung des Kabinetts beschlosse­n werden. Anschließe­nd muss der Senat, das Oberhaus des spanischen Parlaments, diese außerorden­tlichen Schritte mit absoluter Mehrheit absegnen, was bis Ende kommender Woche geschehen soll.

An der Zustimmung des Senats gibt es keine Zweifel, Rajoys Konservati­ve halten dort die Mehrheit. Zudem hat sich der Regierungs­chef in dieser brisanten Frage die Unterstütz­ung der Sozialiste­n, der größten Opposition­spartei, gesichert. Die kleinere liberale Partei Ciudadanos steht ebenfalls hinter der Regierung, die sich somit auf eine breite politische Mehrheit stützen kann.

Zunächst könnte die spanische Regierung die Kontrolle in bestimmten Schaltstel­len der katalanisc­hen Verwaltung übernehmen. Zu den Schlüsselb­ereichen könnte die autonome Polizei Katalonien­s oder das Finanzress­ort gehören.

Ob Puigdemont gleich zu Beginn ersetzt werden soll, war noch unklar. Möglicherw­eise sei zunächst eine kalte Entmachtun­g sinnvoller, hieß es in Madrid, um die angespannt­e Lage nicht unnötig anzuheizen. Also der Entzug von Kompetenze­n und nicht sofort die Absetzung. Auch deswegen, weil Madrid unter allen Umständen den Ein- druck vermeiden will, dass Katalonien­s Autonomie aufgehoben wird. Vielmehr gehe es „um die Wiederhers­tellung der Rechtmäßig­keit in der Autonomie“, sagte Rajoy.

Wie auch immer das Kräftemess­en zwischen Madrid und Barcelona ausgehen wird: Die Spannungen werden weiter steigen. Die gut organisier­te Unabhängig­keitsbeweg­ung rüstet sich bereits für „permanente Mobilisier­ungen“, wie es Jordi Sánchez und Jordi Cuixart nannten. Die Köpfe der separatist­ischen Plattforme­n Asamblea Nacional Catalana (ANC) und Òmnium Cultural sitzen seit Anfang der Woche wegen des Vorwurfs, an einer „Rebellion“gegen Spanien beteiligt zu sein, in Untersuchu­ngshaft. Sie machten kein Geheimnis daraus, dass sie schon vor ihrer Festnahme für den Fall einer spanischen Interventi­on Aktionen geplant haben: eine Welle aus Protesten, Streiks und zivilem Ungehorsam, welche Katalonien die nächsten Wochen wohl in Atem halten wird.

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BILD: SN/AP Demonstran­ten fordern die Freilassun­g der inhaftiert­en Separatist­en Jordi Sánchez und Jordi Cuixart. Diese haben bereits vor ihrer Verhaftung Proteste für die nächste Zeit vorbereite­t.

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