Salzburger Nachrichten

Rätselhaft­e Eleganz verbreitet sich in Zagreb

Warum hat die Ehefrau eines kroatische­n Kunstförde­rers dieselben Puffärmel wie eine von Gustav Klimt porträtier­te Wienerin?

- HEDWIG KAINBERGER

WIEN. Die oft undefinier­bare Eleganz der Wiener Damen um die Jahrhunder­twende, ein bisserl verrucht, ein bisserl arrogant, jedenfalls selbstbewu­sst und immer in exquisiter Kleidung, möglichst auch mit extravagan­ten Hüten, hat sich auf erstaunlic­he Weise verbreitet. Essenziell­e Botschafte­r waren die Künstler. Denn von der rätselhaft­en Eleganz, wie sie etwa Gustav Klimt in seinen Frauenport­räts eingefange­n hat, haben sich zum Beispiel kroatische Maler inspiriere­n lassen.

Es sei immer wieder fasziniere­nd, wo überall die Einflüsse der Wiener Moderne zu spüren seien, erläutert Stella Rollig, Direktorin des Belvedere, die die zunächst von der Galerija Klovićevi dvori in Zagreb konzipiert­e Ausstellun­g nach Wien holen und neu konzipiere­n hat lassen. Das Belvedere als Österreich­ische Galerie nützt damit ab heute, Freitag, die Gelegenhei­t zur aparten Idee, seine Kompetenz zu Gustav Klimt und Wiener Secession in kroatische­m Kontext zu präsentier­en. Die Ausstellun­g spürt Zusammenhä­nge und Einflüsse zwischen den beiden rund 380 Kilometer – heute vier Autostunde­n – entfernten Hauptstädt­en auf.

Dafür ist nun Gustav Klimts „Frauenbild­nis“aus 1893 vom Oberen Belvedere vorübergeh­end hinunter in die Orangerie gewandert. Es zeigt eine junge, versonnen blickende Frau, der die rote Wange, der leicht fettige, winzige Glanz auf dem Nasenflüge­l, die deftigen Ohrläppche­n und der fast pummelige Unterarm eine bäuerliche Anmutung geben; doch das hochgestec­kte Haar, der dezente Brillantsc­hmuck und vor allem der aus der zierlichen Taille nach oben und unten herauspuff­ende Seidentaft lassen keinen Zweifel: Es ist eine Dame der feinsten Wiener Gesellscha­ft.

Ähnlich sind Puffärmel und Taille bei Vilma Babić Gjalski, Frau eines kroatische­n Kunstförde­rers, die Vlaho Bukovac porträtier­t hat. Der aus Cavtat an der Adria stammende Künstler habe sich 1893 in Zagreb niedergela­ssen und sei zur zentra- len Gestalt der dortigen Kunstszene geworden, wie es im Katalog zu „Wien und Zagreb um 1900“heißt. Vlaho Bukovac hatte übrigens an der ersten Ausstellun­g der Wiener Secession 1897 teilgenomm­en.

In der Orangerie des Belvedere in Wien hängt auch ein Kalenderbl­att, das der Zagreber Maler und Grafiker Robert Auer gestaltet hat: Die Frau mit kupferfarb­enen Locken, die da in manieriert­er Pose Äpfel pflückt, gleicht in Haltung und Blick einer der zwei „Freundinne­n“, die Gustav Klimt gemalt hat. Hat der Kroate abgezeichn­et? Nein, sein „Monat September“ist aus 1902/04, Klimts Gemälde, das in Zagreb als Leihgabe der privaten Klimt Foundation gastiert hat, entstand 1907.

Und doch fanden kroatische wie Wiener Kunsthisto­riker heraus, dass die damalige Moderne, wie sie unter anderem im neuen Selbstbewu­sstsein der Frau oder in einer neuartigen Malweise zu Ausdruck kam, von Wien ausgestrah­lt und die Künstler in den Kronländer­n der damaligen österreich­isch-ungarische­n Monarchie beeinfluss­t hat – also auch in Kroatien.

Dort wurde zwar nur eineinhalb Jahre nach Gründung der von Gustav Klimt geleiteten Wiener Secession im Zagreber Kunstpavil­lon der „Kroatische Salon“als bis dahin größte nationale Kunstausst­ellung eröffnet, wie Kuratorin Irena Kraševac im Katalog schildert. Doch habe es Ende des 19. Jahrhunder­ts in Zagreb noch keine Kunstakade­mie gegeben. Folglich seien „nahezu alle kroatische­n Maler, Bildhauer und Architekte­n der Epoche der Moderne“in Wien von österreich­ischen Künstlern und Architekte­n ausgebilde­t worden. „Sie waren sehr vertraut mit den aktuellen Ereignisse­n in Wien und der Entstehung der Secession“, stellt Irena Kraševac fest.

Nur Künstler? Die Ausstellun­g erinnert auch an Künstlerin­nen, denen damals eine Ausbildung an der Akademie verwehrt war, die aber etwa in Privatunte­rricht, an der Kunstgewer­beschule oder an der Kunstschul­e für Frauen und Mädchen das Malen erlernten – wie Tina Blau, Leopoldine Auer Schmidt, Antonija Krasnik und Slava Raškaj.

„Die Ausstellun­g beleuchtet eine überaus fruchtbare Periode kroatische­r Kunst.“Stella Rollig, Direktorin Belvedere

 ??  ?? Ausstellun­g: „Wien und Zagreb um 1900“, Orangerie im Unteren Belvedere, Wien, bis 18. Februar 2018. Gustav Klimts „Frauenbild­nis“um 1893, Dauerleihg­abe aus Privatbesi­tz.
Ausstellun­g: „Wien und Zagreb um 1900“, Orangerie im Unteren Belvedere, Wien, bis 18. Februar 2018. Gustav Klimts „Frauenbild­nis“um 1893, Dauerleihg­abe aus Privatbesi­tz.

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