„Helfen geht nie ins Nichts“
Für den einstigen Caritas-Präsidenten Franz Küberl ist Helfen die „meistgesprochene Sprache der Welt“. Was es mit dem „System der Laubbläser“und „spiritueller Zivilcourage“auf sich hat.
GRAZ. Er habe ursprünglich eigentlich nicht vorgehabt, ein Buch zu schreiben, sagt Franz Küberl, der von 1995 bis 2013 an der Spitze der Caritas Österreich stand. Dann aber sei ihm die Idee gekommen, etwas über das Helfen festzuhalten: „Das hat mich aufgeweckt.“Helfen sei, schreibt der 64-jährige Steirer im Vorwort seines Buchs, die meistgesprochene Sprache der Welt: „Jeder hat seine eigene Ausdrucksform, wie er mit dem Helfen, mit Hilfe umgehen kann und will.“Sein Buch verstehe er als Anregung, über das Helfen nachzudenken und auch mit anderen darüber zu reden.
Küberls Einstieg in das Buch „Sprachen des Helfens“(Styria-Verlag) ist aufwühlend und beklemmend. Er berichtet von einer in einem Salzburger Regionalzug auf dem Boden liegenden Frau, der es sichtlich schlecht geht: „Ein Mann bestiehlt sie. Andere sitzen daneben. Sie schauen weg und gehen.“Ein Ehepaar, das über die Frau am Boden einfach hinwegsteigt, ohne sich zu kümmern, rechtfertigt sich später, man habe gedacht, die Frau sei betrunken. Nur eine Person, eine 17-jährige Schülerin, habe „durchdachte Hilfe“geleistet. Küberl stellt anhand dieses Beispiels die Frage, wie oft „wir vielleicht über das Schicksal eines Menschen ,drübergestiegen‘ seien und ein Schicksal nicht wahrhaben wollten. „Denken wir etwa heimlich, es gebe eine Art Privatisierung von Unglück: Jeder soll doch seine Proble- me am besten alleine lösen?“, fragt sich Küberl, der als einer der wortgewaltigsten Laien in der heimischen katholischen Kirche gilt.
Wer Küberl kennt, weiß, dass er stets versucht hat, durch Taten und Worte den „Grundwasserspiegel des Miteinanders“hochzuhalten. In insgesamt zwölf Kapiteln analysiert der Grazer das Thema Helfen über subjektive Gedanken und Erlebnisse. Im Kapitel „Kauderwelsch und Sprachlosigkeit“etwa geht Küberl jenen Motiven auf den Grund, warum Nichtstun „für gar nicht we- nige Menschen eine akzeptable Form“sei. Laut Küberl spielten „weltanschauliche Dilemmata“eine Rolle, wenn bestimmten Personen oder Gruppen die Hilfe verweigert werde: „Je nach öffentlicher Debattenschichtung können das Obdachlose, Arbeitslose, Roma, Armutsmigranten, (bestimmte) Flüchtlinge sein. Dann wieder Arme, alleinerziehende Mütter (weil sie vermeintlich eh selbst schuld an ihrer Situation sind), Alkoholiker...“Franz Küberl, der im Vorjahr als „Fundraiser des Jahres“ausgezeichnet wurde, beklagt, dass sich in Österreich in den „Chor der Sorgenvollen“auch das „System der Laubbläser“mische. So, wie man mit diesem Gerät Laub wegblasen könne, wolle man Probleme und Krisen „möglichst weit wegblasen, wegreden, wegschieben, sodass nur die anderen damit zu tun haben“. Der Ex-Caritas-Präsident ruft auf, das Helfen mit „spiritueller Zivilcourage“zu würzen. Will heißen: Sich zugunsten Benachteiligter einzusetzen, auch wenn „dadurch für uns selbst das Risiko von Benachteiligung entstehen könnte“.
Für den Vorgänger von Michael Landau ist klar, dass Armut nie nur die Armut von Einzelnen, sondern immer auch Armut der Gesellschaft ist. Folglich stelle auch der Staat einen „Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit“dar. In der Zukunft müsse das Sozialsystem den neuen Realitäten angepasst werden, um „armutsfest, integrierend und aktivierend“zu sein. Konkret gehe es darum, Sozialbürokratie und Doppelgleisigkeiten abzubauen, aber auch das „Versteckspiel“, das darin bestehe, den Zugang zu manchen Leistungen zu verbauen, zu beenden.
„Helfen geht nie ins Nichts“: Zu diesem Schluss kommt Franz Küberl am Ende des Buchs. Helfen verändere denjenigen, der Hilfe erfahre, genauso wie denjenigen, der helfe. Und: „Jeder Mensch bedarf der Hilfe anderer, um selbst leben zu können.“