„Ärzte könnten Pädophilie schon frühzeitig erkennen“
Prävention kann den Missbrauch von Kindern durch Jugendliche verhindern. Eine wesentliche Aufgabe kommt dabei der Sexualmedizin zu. Was wäre wann zu tun?
Es gibt Jugendliche, die irritierende sexuelle Fantasien haben, in denen Kinder vorkommen. Andere haben schon im Internet Bilder oder Filme gesehen, wo Kinder sexuell missbraucht werden. Das geht aus den Erfahrungen von Angehörigen, Betreuern oder Richtern mit jungen Menschen hervor, die ihre pädophile Neigung bereits in die Tat umgesetzt haben.
An der Kinder- und Jugendpsychiatrie des Vivantes Klinikums Berlin Friedrichshain wurde nun ein Präventionsprogramm entwickelt, das darauf zielt, dass die betroffenen jungen Menschen nicht zu Tätern werden. Der Leitende Oberarzt Tobias Hellenschmidt sagt dazu: „Wir wollen erreichen, dass Jugendliche nicht aus der Bahn geworfen werden, wenn sie problematische sexu- elle Fantasien haben. Damit wollen wir eine soziale Desintegration dieser Jugendlichen verhindern.“
Ärztinnen und Ärzten komme bei der Prävention von sexuellem Kindesmissbrauch eine entscheidende Rolle zu, heißt es bei der Österreichischen Akademie für Sexualmedizin. „Jede Ärztin und jeder Arzt sollte eine pädophile sexuelle Präferenzstruktur bei jungen Menschen erkennen können“, sagt die Sexualmedizinerin und Präsidentin der Akademie, Marianne Greil-Soyka. Dadurch könnten diese Jugendlichen frühzeitig in ein Präventionsprogramm aufgenommen werden.
Mit dem Ende der zweiten Lebensdekade sei die menschliche Sexualpräferenz und damit auch die sexuelle Ausrichtung auf das Körperschema eines begehrten Partners (Kinder, Jugendliche, Erwachsene) abgeschlossen und bleibe dann ein Leben lang bestehen, sagt Greil-Soyka. „Pädophilie ist wie eine chronische Erkrankung zu betrachten, dabei geht es in keiner Weise um Schuldhaftigkeit, wohl aber um die Verantwortung, dass andere Menschen nicht Opfer werden. Damit aus Jugendlichen keine Täter werden, müssen pädophile Jugendliche lebenslang ihre sexuellen Impulse – gerichtet auf die Unreife eines Kindes – unter Kontrolle halten. Sie benötigen dabei eine engmaschige Betreuung.“
Nach Ansicht von Greil-Soyka sollten Ärzte in der Lage sein, die sexuelle Präferenzstruktur eines Menschen, die sich auf drei Achsen konfiguriert, zu erfassen. „Man erkennt die sexuelle Präferenz, indem man nach der Orientierung auf das eigene, das andere oder beide Geschlechter fragt (alles Normvarianten menschlicher Liebesfähigkeit), nach dem präferierten Alter sowie dem präferierten Modus und Typus. Hierbei sind die Ebene der sexuellen Fantasien, des sexuellen Verhaltens und der Selbsteinordnung zu unterscheiden.“
Auch erste Erfahrungen von jungen Frauen und Männern mit pornografischen Darstellungen sollten in der Arztpraxis angesprochen werden, sagt Greil-Soyka. „Wenn solche Erfahrungen in einem sensiblen Zeitfenster der Pubertät gemacht wurden, können Pornos bei Mädchen einen Ekel gegen Sexualität auslösen und bei Burschen einen sexuellen Leistungsdruck.“ Morgen, Samstag, lädt die Österreichische Akademie für Sexualmedizin von 11.00 bis 19.00 Uhr in der Ärztekammer Salzburg, Faberstr. 10, zum Seminartag über Sexualmedizin ein. Programm: WWW.OEASM.ORG