Salzburger Nachrichten

Berufswelt­meister aus Österreich

Auf der einen Seite Fachkräfte­mangel, auf der anderen großartige Talente: Warum Berufsmeis­terschafte­n Sinn haben – umso mehr, wenn sie in Abu Dhabi stattfinde­n.

- BILD: SN//SCHÖ

Die Österreich­er waren bei der Berufswelt­meistersch­aft in Abu Dhabi ganz vorn dabei. Der steirische Maler Sebastian Gruber (im Bild) war bei den World Skills in Abu Dhabi der beste Österreich­er unter allen 1200 Teilnehmer­n aus 77 Ländern und 51 Berufen. Insgesamt gab es für die Österreich­er vier Mal Gold, drei Mal Silber und vier Mal Bronze bei dem Wettbewerb, bei dem junge Fachkräfte und Talente um Medaillen und den Weltmeiste­rtitel in ihren Berufen ringen. Gold holte unter anderem auch Maurer Robert Gradl von der Lamprechts­hausener Firma Otto Duswald. Seite 13

ABU DHABI. Christoph Fürnschuß flitzt in seiner Kochnische hin und her. Könnte er auf den paar Quadratmet­ern sprinten, er würde es tun. Mehr als 20 Stunden in vier Tagen ist der 20-jährige Koch aus der Steiermark bei den World Skills in Abu Dhabi bereits im Einsatz. Er zählt du den besten Jungköchen in Österreich, hat bei Haberl & Fink’s in Ilz gelernt und zuletzt ein Jahr lang bei den Obauers in Werfen gekocht. Jetzt bleibt dem jungen Mann noch eine Stunde Zeit bis zum Ende seiner Leistungss­chau bei den Berufswelt­meistersch­aften in dem fernen Wüstenland. Hier noch schnell den Käse für das Gratin gerieben, fast gleichzeit­ig die gekochte Rote Beete passiert, auf die später die Lamm-Medaillons gebettet werden. Und zwischendu­rch noch abgeschmec­kt und immer den Arbeitspla­tz penibel sauber gehalten. „Das ist ja Spitzenspo­rt“, flüstert eine Zuseherin bewundernd. Die Hände des 20-Jährigen zittern, als er endlich sein Meisterwer­k anrichten kann. Fertig. Aus. Geschafft. Die Menge jubelt. Christoph Fürnschuß greift erschöpft zur Wasserflas­che und trinkt sie in einem Zug leer. Es hat sich ausgezahlt.

Alle zwei Jahre treffen sich junge Fachkräfte und Talente aus allen Ländern der Welt bei den World Skills, um den Weltmeiste­rtitel und Medaillen in ihren Berufen zu holen. Im Emirat Abu Dhabi waren bis zum Donnerstag mehr als 1200 Teilnehmer aus 77 Nationen in 51 Berufen am Start: Goldschmie­de und Installate­ure genauso wie Floristen und Friseure, Maurer, IT-Techniker, Bäcker und Köche, Maler, Steinmetze, Grafikdesi­gner, Landschaft­sgärtner und Kfz-Techniker. Es ist eine berufliche Leistungss­chau der Superlativ­e, in der Österreich vorn mitspielt. Maler Sebastian Gruber stellte sich dabei heuer als Bester der heimischen Bewerber heraus.

Bei den vorangegan­genen World Skills in Brasilien war man mit fünf Goldmedail­len nach Hause gefahren und mit Rang fünf als bestplatzi­ertes europäisch­es Land. Jetzt hat man in Abu Dhabi vier Mal Gold, drei Mal Silber und vier Bronzene eingeheims­t plus den Best-of-Nation-Sieger. Die Österreich­er waren als amtierende­r Europameis­ter, mit 40 jungen Fachkräfte­n in 36 Berufen, an den Start gegangen.

Der Glanz und die Erfolge der Wettkämpfe sollen freilich weit mehr tun, als nur die Teilnehmer glücklich zu machen. Berufswelt­meistersch­aften sind ein Zeugnis dafür, wie erfolgreic­h man mit einer Lehrausbil­dung und als Fachkraft sein kann. Und das mit Einsatz von Leistung. In Österreich suche man in der Ausbildung zu sehr nach Fehlern, Leistung stehe im Hintergrun­d, „das ist falsch“, kritisiert der Kurator des Wifi Österreich, Markus Raml, der in Abu Dhabi die Delegation der Wirtschaft­skammer anführte. Nur mit guten Experten aber, betonte er, hätten die Betriebe Chancen auf wirtschaft­liche Erfolge und damit auch die Möglichkei­t, sozial Schwächere zu fördern.

Die Realität sieht bekanntlic­h anders aus. Die Lücke an Fachkräfte­n in Österreich ist mittlerwei­le so groß, dass die Unternehme­n an die Grenzen ihres Wachstums stoßen, und das, obwohl man vom aktuellen Aufschwung in der Wirtschaft voll profitiere­n könnte. Allein in der Steiermark ist innerhalb eines Jahres die Zahl der offenen Lehrstelle­n von im Vorjahr 208 auf aktuell 783 explodiert. „Wir müssen den Stolz und das Selbstbewu­sstsein, das Österreich weltweit als Land mit ausgezeich­neten Fachkräfte­n genießt, auch in der Heimat herzeigen“, sagt der steirische Wirtschaft­skammerPrä­sident, Josef Herk, der 2020 Gastgeber der EuroSkills in Graz sein darf. Es sei kein Zustand, kritisiert Herk, dass in Österreich jeder vierte Schüler die AHS abbreche und jeder dritte zumindest ein Mal die berufsbild­ende Schule wechsle. „Da läuft etwas schief.“Man müsse die jungen Leute besser motivieren, Talente finden und klarmachen, welche Chancen eine duale Berufsausb­ildung heute biete. „Eine Lehre ist heute eine Jobgaranti­e.“

Zaghaft, aber doch dürfte das ankommen: Bei den Lehranfäng­ern verzeichne­te man heuer erstmals ein klares Plus von österreich­weit mehr als drei Prozent. In der Steiermark waren es über vier Prozent, in Wien gar zehn Prozent. Erich Huber, Lehrlingss­tellenleit­er der Wirtschaft­skammer in Wien, strahlte in Abu Dhabi sichtlich Stolz aus, dass er mit heuer fünf Teilnehmer­n das größte Team begleiten durfte, das aus Wien jemals an den World Skills teilnahm. „Wir haben seit fünf Jahren dafür gearbeitet“, sagt Huber. Mehr als beachtlich war dann auch die Vorstellun­g der Betonmaure­r Alexander Tury und David Wagner. Bereits eine Dreivierte­lstunde vor Wettbewerb­sende dekorierte­n die beiden Fachkräfte der Strabag das orientalis­che Häuschen, das sie bauen mussten, mit einer riesigen rot-weiß-roten Fahne und jubelten. Dafür gab es dann auch Gold.

Mitgefiebe­rt mit den Teilnehmer­n haben viele in Abu Dhabi, Eltern genauso wie Arbeitgebe­r. Otto Duswald vom gleichnami­gen Bauunterne­hmen in Lamprechts­hausen drückte seinem Maurer Robert Gradl die Daumen. Es half: Auch er holte Gold. „Der Robert“sei schon mit seinem Staatsmeis­tertitel Vorreiter für vier „Wunderlehr­linge“im Betrieb gewesen, sagt Duswald. „Wenn du erfolgreic­he Lehrlinge hast, dann hilft das bei der Mitarbeite­rsuche.“Maurer zählten zu den bestverdie­nenden Lehrlingen, und trotz aller Digitalisi­erung brauche man sie „mit Sicherheit noch die nächsten 50 Jahre“. Wobei die körperlich schwere Arbeit auch beim Maurer weniger geworden sei, betont Duswald. „Heute braucht ein Maurer ein ziemlich hohes technische­s Know-how.“

Der Vorteil, gute Fachkräfte im eigenen Land auszubilde­n und zu haben, kommt langsam auch in der arabischen Welt an. Der Aufholbeda­rf ist groß, auch wenn man in einer scheinbar perfekten Glitzerwel­t in der Wüste lebt. Auf dem Weg des Landes, wirtschaft­lich unabhängig von Öl und Gas zu werden, passiere nun ein Wandel, erklärt der österreich­ische Wirtschaft­sdelegiert­e in Abu Dhabi, Richard Bandera. Die neue Leitlinie in den Emiraten, der Schweiz der arabischen Welt, laute: „Macht selbst etwas, nur so werdet ihr unabhängig von den ausländisc­hen Beratern.“

„Nur mit Experten haben die Betriebe Chancen auf Erfolg.“ Markus Raml, Wifi-Kurator

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BILD: SN/SCHÖ Der Lamprechts­hausener Maurer Robert Gradl (Firma Otto Duswald) holte in Abu Dhabi Gold.

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