Wer folgt auf Thomas Drozda?
Österreichs Kunst- und Kulturminister hat formell demissioniert. Wer kann, wer wird danach kommen?
Die unwahrscheinliche Variante ist am leichtesten zu klären. Zwar wäre damit Christian Kerns Oppositionsansage gebrochen; zwar widerspricht es den jetzigen Vorhersagen, wonach einer schwarz-blauen Koalition die größte Chance zuzumessen sei. Doch sollte die SPÖ in der nächsten Regierung sein, dürfte deren Kulturminister wieder Thomas Drozda heißen.
Er hat seit seinem Antritt im Mai 2016 sichtliche Freude an diesem Amt sowie an Vorstellungen und Ausstellungen. Und er hat seine bisherige Berufserfahrung – Burgtheater und Vereinigte Bühnen Wien – gut einbringen können. Zudem ist er einer der wenigen Politiker, die erkannt haben, wie gut sich Kultur als Plattform nützen lässt: Man kann zwar nicht vollen Fußballstadien zujubeln, doch in Summe von Premieren und Eröffnungen ist übers Jahr ein erkleckliches Ausmaß an Wählerberührungen möglich. Zudem lässt sich prächtig Personalpolitik machen. Denn Bundestheater und Bundesmuseen sind GmbHs, viele Veranstalter sind als private Vereine organisiert. Für beides ist also ein Schutzschild so gelegt, dass die parlamentarische Kontrolle erschwert ist – wie dies beim Aufarbeiten des BurgtheaterSkandals deutlich geworden ist. Trotzdem kann der Minister selbst die Chefetagen besetzen. Drozda hat in seiner kurzen Amtszeit dafür gesorgt, dass in Wiener Staatsoper, Burgtheater, Belvedere und Kunsthistorischem Museum von ihm Ernannte tätig werden.
Apropos Staatsoper: Mit dem designierten Bogdan Roščić könnte es interessant werden. Bald müssten die Plagiatsvorwürfe für dessen Dissertation geprüft sein. Sollte das Ergebnis ungünstig sein, könnte ein Nicht-SPÖ-Minister anders reagieren als mit „uneingeschränktem Vertrauen“, wie es ihm Drozda zugesichert hat.
Sein „Plan K“für die nächste Legislaturperiode lässt sich auf die Formel eindampfen: Geld ausgeben – sei’s für alleinerziehende Künstlerinnen, vielleicht sogar als Grundeinkommen für alle Künstler oder als Indexierung aller Subventionen. Diese versierte, ausgabefreudige Kulturpolitik zeigt, wie sehr der SPÖ eine Regierungsbeteiligung zupasskäme. Ohne die könnte Thomas Drozda bloß Abgeordneter werden und seinen Nachfolger oder seine Nachfolgerin nur mit Anfragen piesacken.
Stellen wir uns vor: Intendant Markus Hinterhäuser schritte bei den Salzburger Festspielen 2018 mit einem FPÖ-Minister zum Festakt? Oder: Martin Kušej absolvierte 2019 seinen Antrittsbesuch beim FPÖ-Minister. Oder: Belvedere-Direktorin Stella Rollig lächelte mit dem FPÖ-Kulturminister in die Kamera.
Muss man sich fürchten? Schaut man ins FPÖ-Wahlprogramm, steht „Unsere Kultur“immerhin als dritter von 25 Punkten – hinter „Unsere Grenzen sichern“und „Unsere Souveränität“. Da wird erklärt: „Kultur ist aus freiheitlicher Sicht die Gesamtheit aller zivilisatorischen Ausdrucksformen. Ihre höchste schöpferische Ausdrucksform ist die Kunst, die in einer freiheitlichen Gesellschaft keiner Beschränkung unterliegt.“Klingt nicht schlecht, oder? Bedenkt man aber bisherige und angekündigte Taten, schwindet der Optimismus. Als Großprojekte fallen einem die Kärntner Wörtherseebühne samt Defizit und Abriss ein oder die Hetzplakate gegen Künstler. Fairerweise ist anzumerken: Das war 1995. Angekündigt werden nun laut Wahlprogramm: „Freier Eintritt für österreichische Familien in unsere Museen“, „Erhaltung und bessere Förderung von regionalen Brauchtumsinitiativen“sowie „mehr Transparenz im Kulturförderdschungel“. Das erste ist längst von der SPÖ mit freiem Jugendeintritt weitgehend umgesetzt; das dritte ist No-na. Folglich bleibt als Neuerung offenbar die Brauchtumsnähe. Aber vielleicht führt ein FPÖ-Minister auch Bisheriges pragmatisch weiter? Oder: Könnte die Globalansage der FPÖ von „Steuerquote drücken“die Rechtfertigung liefern, alle Kultursubventionen zu drosseln? Mit Walter Rosenkranz, seit 2008 in Nationalrat und Kulturausschuss, hat die FPÖ einen erfahreneren Kandidaten als die ÖVP. Für die hat Sebastian Kurz im Sommer als Kultursprecherin Maria Großbauer vorgestellt. Als Ministerin? Da wird einem schummrig. Die 1980 geborene Niederösterreicherin hat weder Parteinoch Parlaments-, dafür Opernballerfahrung. Für dessen Organisation war sie heuer erstmals zuständig. Und sonst? Eine Interview-Anfrage blieb unbeantwortet. Allerdings haben auch andere ÖVP-Kandidaten keine Interviews gegeben, offenbar um nicht die leiseste Ablenkung von der Stimme des Herrn Kurz zu riskieren. Kulturpolitik der ÖVP ist also wie das Warten auf das, was der Zauberer aus dem Hut holt.
Sucht man Kompetenz, gelangt man zu Wolfgang Zinggl, Ex-Urgestein der Grünen. Die haben ihn aber so abgeschasselt wie Peter Pilz, auf dessen Liste er nun in den Nationalrat zieht. So ist wenigstens qualifizierte Opposition gesichert. Zweite kulturpolitisch versierte Politikerin ist Beate Meinl-Reisinger von den Neos. Sie hat als einstige Vorsitzende des Kulturausschusses im Burgtheater-Skandal eine Bravourleistung vollbracht. Zwar hat sie jetzt für den Nationalrat kandidiert, aber am Donnerstag bekannt gegeben, doch in der Wiener Stadtpolitik zu bleiben. Das ist leider ein Beispiel, wie eine Persönlichkeitswahl opportunistisch missbraucht wird, wie Vorzugsstimmen schon fünf Tage nach der Wahl der Wetti Tant übertragen werden. Die Neos-Kulturrolle wird also voraussichtlich Sepp Schellhorn behalten.