Olympia im Projekt Alpensia
Willkommen in den Alpen 2.0: Ein Lokalaugenschein an den olympischen Sportstätten in Südkoreas Bergen, wo Olympia mit den Spielen 2018 ein neues Kapitel aufschlägt.
Wenn man ein Bild der Zeitenwende bei Olympia malen will, dann muss man hierher nach Südkorea kommen, in jenes Restaurant, das den großen Namen „Mont Blanc“trägt. An den Wänden hängen Drucke von alten Plakaten aus Chamonix, St. Moritz, Pontresina, von jenen Orten also, die den Wintersport in den Alpen in den letzten 100 Jahren geprägt haben. Darunter sitzt ÖOC-Präsident Karl Stoss und räsoniert immer noch, warum es in Innsbruck eine Ablehnung für eine Olympia-Bewerbung gegeben hat. Dazu werden würzige Seegras-Suppe und das koreanische Nationalgericht „Bibimbap“(eine scharf gewürzte Reispfanne) gereicht.
Als die südkoreanische Bergregion Pyeongchang Anfang 2000 gegen Salzburg in den Kampf um Olympia gezogen ist, gab es hier nichts. Kein Restaurant Mont Blanc, keine Fünfsternehotels von US-Ketten, keine Lifte. Ja nicht einmal einen Namen. Doch der zeigt, wohin die Reise geht: Alpensia heißt das Reißbrettprojekt, das im Februar 2018 die Schneebewerbe der 23. Olympischen Winterspiele beherbergen wird. Es ist eine Wortschöpfung aus den Begriffen Alpen, Fantasy und Asia – und das Wort beschreibt Olympia hier besser als alles andere.
Wer durch die Fantasiewelt Alpensia spaziert, der versteht bei allen Vorhaltungen auch, warum Olympia hier ist. Das Herzstück ist der Alpensia-Sportpark – da reiht sich das Biathlon-Stadion an das Langlauf-Stadion, daneben ragt ein gigantischer Zeigefinger in den Himmel: die größte der fünf parallel liegenden Schanzen. Die Skispringer werden bei Olympia hier in das darunterliegende Fußballstadion des Erstligisten Gangwoon FC springen, von der anderen Seite wird sich Anna Gasser beim Snowboard-Big-Air über monströse Bauten in das Stadion schrauben. Entlang der sanften Hügel stehen massive Stahlbauten: Hier werden die großen Windnetze ausgefahren, wenn (wie hier üblich) der Wind zu stark ist. Deswegen wird bei Olympia auch nur am Abend gesprungen, da sind die Thermiken besser. Auch Biathlon findet nur am Abend statt, darum stehen hier alle 100 Meter Flutlichttürme mit exorbitanter Leuchtkraft, weil ja alles weltweit in HD ausgestrahlt wird. Und das alles liegt samt dem Eiskanal in Gehweite zueinander.
Christoph Sumann spaziert staunend durch den Park. Der steirische Biathlet hat hier einst mit seinen Teamkollegen die Glanzstunde des heimischen Biathlonsports erlebt: 2009 bei der WM siegte Dominik Landertinger vor Sumann im Massenstart. „Damals gab es gar nichts hier, keine Organisation, außer 100 Russen auch keine Zuschauer, nur Volunteers, die in Stöckelschuhen im Schnee gestanden sind und gefroren haben.“Und nicht einmal eine Bar: Denn als am Schlusstag Österreich mit Sumann und seinen Kollegen auch noch die WM-Silbermedaille geholt hat, konnte man das nicht einmal feiern. „Heute erkenne ich das alles nicht wieder. Aber es ist einfach perfekt für einen Sportler.“
Das trifft es gut. Technisch werden diese Spiele perfekt sein, schon heute sind an allen Wettkampforten sogar die Zielstadien aufgebaut. Nur mit der Begeisterung wird es etwas hapern, denn für die gastgebenden Südkoreaner sind außer Shorttrack und Eiskunstlauf meisten Sportarten Neuland.
Und dann bleibt da noch die Geschichte mit dem feindlichen Nachbarn aus Nordkorea und dessen Atomtests. Doch obwohl man hier teilweise nur 60 Kilometer von der nordkoreanischen Grenze entfernt ist, nimmt man das im Unterschied zu Europa mit verblüffender Gelassenheit. Warum ist das so, wollen wir von James Chung wissen, mit dem wir das Quartier besichtigen, das die SN für die Spiele 2018 gebucht haben. Der hebt vielsagend die Hände. „Wissen Sie: Korea war 1000 Jahre ein stolzes, gemeinsames Land, nun ist es seit 60 Jahren geteilt. Ich hoffe, dass wir spätestens in der nächsten Generation wiedervereint sind.“Die Nordkoreaner sieht er nicht als Feinde. „Wir sind Bruder und Schwester, die haben auch manchmal eine schwierige Zeit.“Fühlt er sich bedroht? Herr Chung lächelt: „Wir haben damit zu leben gelernt.“
Ach ja, im Notfall gibt es ja auch noch Soohorang. Der winkende weiße Tiger ist das Maskottchen der Spiele, er steht ganz bewusst für den Schutz aller Teilnehmer. Schade nur, dass weiße Tiger in Südkorea bereits ausgerottet sind. die