Loblied auf das unbändige Denken
Paul Divjak hat mit seinen „Vorbereitungen auf die Gegenwart“einen politisch hochaktuellen Essay verfasst.
Der Erscheinungszeitpunkt für „Vorbereitungen auf die Gegenwart“hätte nicht besser gewählt werden können. Rund um die Nationalratswahl 2017 legt der Wiener Autor und Philosoph Paul Divjak seinen Finger auf wunde Stellen, etwa auf den Riss zwischen politischen Inszenierungen und realer Anforderung.
„Populisten überraschen mit ihren vollmundigen, symbolhaften Auftritten, sie liefern Bewährtes/Wiedererkennbares und streuen Irritierendes/Unerwartetes ein“, stellt Paul Divjak fest. So generierten sie Aufmerksamkeit. Sie benützten einprägsame Bilder und Aussagen als mediale Aufhänger. Und „als Politik-Darsteller sorgen sie in veritablen/variablen Performances für medial ebenso unterhaltsame wie polarisierende Vermittlung von Weltbausteinen ihrer Ideologie“.
In kleinen Dosen präsentierten sie Angebote zur Identifikation, bezichtigten vermeintlich Verantwortliche für das „Chaos der Welt“und simulierten Ordnung für komplexe Probleme.
In seinem knapp fünfzig Seiten umfassenden, konzentrierten Essay, der in zwei Teile gegliedert ist, fordert Divjak den Leser auf, Vorstellungswelten, „gefühlte Wirklichkeiten, die zunehmend tatsächliche Gegebenheiten ersetzen“, zu hinterfragen. Es sei eine tägliche Entscheidung, der internetbasierten Realität zu vertrauen, oder nicht.
Paul Divjak ist ein vielseitiger, facettenreicher Schriftsteller. Es scheint beinahe so, als ob er für jedes seiner Bücher eine eigene Sprache erfindet, einen eigenen Stil, ja sogar ein anderes Geschlecht. Es ist kaum vorstellbar, dass Werke wie „Der Geruch der Welt“, „Unter einer leuchtend grünen Wiese verbirgt sich ein gespenstischer Frauenkopf in düsteren Farben“oder „Tamagotchi Tanzmusik“von ein und demselben Autor stammen. Wenn man Paul Divjaks Website besucht, ist man beinahe überfordert von der Vielseitigkeit seines OEuvres, das Erzähl- und Prosabände, Theaterstücke, Hörspiele, Filme, Installationen, Performances, Musik und Duftkreationen umfasst. Divjak ist ein Sprachbesessener, der die Bedeutung von Wörtern erforscht, mit Wörtern experimentiert, inhaltlich wie auch mit Schriftbildern. Seine Themen untersucht und beleuchtet er von allen Seiten, wissenschaftlich wie auch persönlich.
So schreibt er im zweiten Teil seines Essays über die Entfaltung des Denkens und über unser von virtuellen Realitätskonstruktionen überfordertes Hirn, das mit der Verarbeitung der Abbilder und medialen Simulationen nicht mehr klarkommt. Er ermuntert: „Es gilt, mit Widersprüchen leben zu lernen, die Wirklichkeitsweichen neu zu stellen und an einer veränderten Gestimmtheit der Gesellschaft zu arbeiten.“
Paul Divjak gibt in seinem Essay viel von sich preis und hält ein flammendes Plädoyer für unbändiges Denken. „Vorbereitungen auf die Gegenwart“ist ein mutiges, optimistisches Buch, das zu einem „gemeinsamen Denken, einem Denken jenseits der tradierten Gegensätze/Kategorien von ,links‘ und ,rechts‘“auffordert. Es macht Lust auf „ein Denken, welches das Gemeinsame vor das Trennende stellt und das ein Handeln bewirkt, das allen zugutekommt“.