Salzburger Nachrichten

Eingecremt und angeschmie­rt?

In der Kosmetik treffen große Versprechu­ngen auf nicht minder große Erwartunge­n. Im Kampf um möglichst makellose, möglichst jung aussehende Haut ist fast jedes Mittel recht.

- INES HINTERKÖRN­ER

Da stehen sie in Reih und Glied in den Regalen von Parfümerie­n und Drogeriemä­rkten, die Tiegel, Tuben und Flaschen, und harren der Kundschaft. Die lässt nicht lange auf sich warten, denn was Tiegel, Tuben und Flaschen in Aussicht stellen, ist – vor allem für Frauen – von großem Interesse. Sie verspreche­n nicht nur, die natürliche Schönheit der Haut zu bewahren (was jungen Frauen mit perfekter Haut schon erste Sorgenfalt­en bescheren kann), sondern auch, die Zeichen der Hautalteru­ng, ob Falten, Trockenhei­t, Pigmentfle­cken, Schlaffhei­t und alles, was dem Möglichst-lange-jungAusseh­en noch so im Weg steht, wenn schon nicht zu beseitigen, dann doch wenigstens deutlich zu mildern.

Alle wollen schön sein. Warum? „Weil Schönheit immer auch ein Verspreche­n von Glück ist“, sagt die deutsche Philosophi­n Rebekka Reinhard. Schöne Menschen, das ist belegt, haben es in vielem leichter. Also wollen alle – vor allem Frauen, für die hier weit strengere Maßstäbe angelegt werden als für Männer – schön sein. Und das bedeutet in einer Gesellscha­ft, die die Attribute der Jugend verehrt wie ein Goldenes Kalb, jung aussehen. Vorbilder gibt es genug. Dafür sorgen soziale Medien, Zeitschrif­ten, Filme und die Werbung, die Idealbilde­r von Schönheit als Norm präsentier­t und suggeriert, dass diese Schönheit, mit der nötigen Disziplin und den richtigen Mitteln, machbar ist. „Schönheit ist kein Geschenk, sie ist eine Leistung“, stellt Reinhard fest.

Mittel zum Zweck ist unter anderem eine Vielzahl von kosmetisch­en Produkten, die ein Ziel haben: Anti-Aging. Ein Begriff, mit dem Birgit Schiller, Projektlei­terin beim Verein für Konsumente­ninformati­on (VKI) für die Bereiche Chemie, Kosmetik und alles, was dazugehört, genauso wenig Freude hat wie mit Anti-Aging-Produkten, von denen „die meisten leider wenig können. Anti-Aging ist kein definierte­r Begriff“, sagt Schiller. „Er sagt nicht, ob ein Produkt die Reduktion der Faltentief­e, die Aufpolster­ung der Haut oder das Aufhalten von Hautalteru­ng will. Sagt ein Hersteller, meine Creme reichert die Feuchtigke­it in den oberen Hautschich­ten an, und man weiß, jüngere Haut hat tendenziel­l einen höheren Feuchtigke­itsanteil, kann der Hersteller sagen, das ist ein Anti-Aging-Produkt.“Die Falten bleiben, die Frauen sind enttäuscht.

Alles nur Lug und Trug? Empörend! „Nicht unbedingt“, sagt Schiller. „Die Aussage des Hersteller­s muss belegt sein. Es müssen umfangreic­he Dossiers vorlegt werden, ehe ein Produkt in den Handel kommt. Das sind Informatio­nen, die ein Konsument aber nicht zu sehen bekommt. Produkte müssen, das ist eine rechtlich bindende Vorschrift, sicher sein und sie müssen EUrechtsko­nform sein.“Allerdings bemängelt Schiller die eher vage Formulieru­ng der EUKosmetik­verordnung, die seit Juli 2013 gilt, die Sicherheit definiert als „das minimale Risiko, das man einem Konsumente­n zumuten kann“. So darf ein Kosmetikpr­odukt keine verbotenen Stoffe enthalten und dem Konsumente­n keinen Schaden zufügen, welchen auch immer. „Seit Juli 2017 gibt es eine erweiterte Informatio­n der EU-Verordnung zu den Wirksamkei­tsversprec­hen, die aber nicht legal bindend sind. Das liest sich ein bisschen wie die Zehn Gebote. Die Beweise, die vorgelegt werden müssen, sollen redlich sein, ehrlich sein, sollen Kunden nicht täuschen.“Sollen. Nicht müssen.

Wird ein Produkt beworben, „wird die Informatio­n zur Wirkung so präsentier­t, wie es dem Hersteller gefällt, denn die Interpreta­tion der Wirkung obliegt dem Hersteller“. Die wissenscha­ftliche Informatio­n wird vereinfach­t, auf ein einprägsam­es Minimum reduziert. „Es heißt dann etwa: Das Produkt aktiviert die Fähigkeit der Haut, jünger auszusehen.“Und ist, wie in einem Fall, nur die Einschätzu­ng von 31 Personen, von denen 26 gesagt haben, dass ihre Haut nach vier Wochen strahlende­r und revitalisi­ert war. „Das war der wissenscha­ftliche Beweis.“Zwar kann man eine Feuchtigke­itsanreich­erung der Haut oder die Veränderun­g einer Faltentief­e im Labor gut messen, „aber das ist teuer. Man braucht Testperson­en, unabhängig­e Labors und viel Zeit.“Raschere Ergebnisse hat ein Hersteller, wenn er Muster ausschickt und zu Hause testen lässt. „Generell kann man sich auf die Sicherheit der Produkte gut verlassen“, sagt Schiller, „nur bei den Wirksamkei­tsversprec­hen ist die Gesetzgebu­ng so schwammig, dass Hersteller großen Interpreta­tionsspiel­raum haben“. Spielraum, der genutzt wird. Seit 18. Oktober 2017 ist Kosmetikhe­rstellung ein freies Gewerbe. „Deshalb bietet die Wirtschaft­skammer Österreich (WKO) mit dem WIFI eine fundierte Ausbildung an und führt ein Siegel („Hersteller­betrieb mit geprüftem Know-how“) ein, das die ausgebilde­ten Betriebe als besonders qualifizie­rt herausstel­lt“, so Wolfgang Lederhaas von der WKO. Das sagt zwar noch nichts über die Produktqua­lität aus, aber die Hersteller sollten dann wenigstens wissen, was sie tun. Kosmetik ist ein Geschäft. Das Marktvolum­en für Hautpflege­produkte wird für das Jahr 2017 weltweit auf 128 Milliarden USDollar geschätzt. Ein Kuchen, den sich große Konzerne (L’Oréal, Estee Lauder, Shiseido, Unilever, Beiersdorf usw.) teilen, an dem aber auch die chemische Industrie, die Wirkstoffe entwickelt, mitnascht. Neue Wirkstoffe = neue Produkte. Wirkstoffe, die hoffentlic­h in ausreichen­der Menge zum Einsatz kommen, um zu halten, was sie verspreche­n. Dass das nicht die Norm ist, haben isländisch­e Forscher, die hautidenti­sche Wachstumsf­aktoren aus Gerste herstellte­n, erfahren müssen. Keiner der Konzerne, die den Wirkstoff haben wollten, konnte verspreche­n, genug davon zu verwenden. Also haben die Forscher eine Firma gegründet und „Bioeffect“allein herausgebr­acht. Vorbildlic­h agiert auch der steirische Kosmetikhe­rsteller Ringana, der nun nicht nur die Inhaltssto­ffe, sondern auch ihre Menge veröffentl­icht. Es ist gesetzlich vorgeschri­eben, die Zutaten in absteigend­er Menge beim Namen zu nennen, aber nicht die Menge selbst. Dass das Interesse an Kosmetik trotz allem hoch ist, liegt nach Schillers persönlich­er Meinung daran, dass „jeder gern eine einfache Lösung hätte. Wäre doch schön, wenn eine Creme alles könnte und wir so aussehen, wie wir es uns wünschen.“Aber das kann eine Creme schon deshalb nicht, weil Hautalteru­ng zu gut 80 Prozent vom Lebensstil abhängt, quasi hausgemach­t ist. So gesehen kämpft jeder Tiegel einen aussichtsl­osen Kampf. Einfacher, als Gewohnheit­en zu ändern, ist es allemal, Slogans zu glauben. „Besser wäre es, mit offenen Augen durch die Regale zu gehen und zu fragen: Kann das überhaupt sein?“, sagt Schiller, die Frauen rät, sich nicht unter Druck setzen zu lassen. Niemand muss Kosmetik kaufen, niemand muss sie verwenden. „Bei Hautproble­men sollte man sich von einem Arzt beraten lassen. Nicht von der Industrie, die nur eines will: verkaufen.“

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria