Warum ich schwieg und Teil des Problems wurde
Leichthin wird gesagt, Frauen sollten sich wehren und reden, wenn sie sexuell belästigt werden. Doch das ist schwierig.
Hollywood-Produzent Harvey Weinstein, der Chefredakteur der „Wiener Zeitung“, Kollegen von EU-Politikerinnen. Zu Hunderttausenden erheben Frauen Vorwürfe gegen Männer wegen sexueller Belästigung. Männer, die im Arbeitsumfeld ihre Macht dazu nutzen, Frauen mit sexuellen Übergriffen klein zu machen.
Warum das Thema sexuelle Belästigung gerade jetzt auf ein derart großes Echo stößt, hat mehrere Gründe. Die Sex-Attacken-Vorwürfe gegen US-Präsident Donald Trump vor seiner Wahl hatten nicht diese Kraft gehabt. Möglicherweise liegt es daran, dass Harvey Weinstein ein Protagonist der Traumfabrik Hollywood ist. Das ist eine andere soziale Gruppe als Trumps Wähler. Aber Trump hatte zumindest das Feld aufbereitet und wie man an den Vorwürfen auf EU-Ebene sieht, kommt das Thema gerade wieder aufs politische Parkett zurück.
Ein weiterer Grund, warum Frauen nun über zum Teil furchtbare Erlebnisse öffentlich reden, liegt an den sozialen Medien. Sie sind ein Schleusenöffner. Die Frauen fühlen sich nicht mehr allein mit ihren Geschichten, sie sehen im Netz, dass es Hunderttausenden anderen ähnlich wie ihnen erging und ergeht. Das Schweigen der Frauen schütze die Übergreifer und fördere ein System, das Frauen schade. So sagt man leichthin. Doch die Sache ist viel komplizierter. Ich selbst wurde während einer Dienstreise Opfer eines üblen sexuellen Übergriffs. Mein Arbeitgeber wäre damals hinter mir gestanden und hatte angeboten, mit mir gegen den Mann vorzugehen. Ich war zu beschämt und – ja – zu besorgt um mein berufliches Fortkommen. In dem Umfeld, in dem ich damals arbeitete, hätte ich massive Schwierigkeiten als Journalistin bekommen. Ich wollte mich auch davor schützen, dass mein Privatleben zerpflückt und mein Erscheinungsbild Thema wird. Kurz gesagt, weiteren Schaden verhindern. Für mich persönlich war es damals die richtige Entscheidung zu schweigen, gesellschaftlich betrachtet ein grober Fehler. Durch Schweigen wird man Teil des Problems. Darum sind Internetaktionen wie #metoo, über die sich Betroffene nun äußern, so wertvoll.
Sie machen sichtbar, dass es nicht um Einzelschicksale geht, sondern um ein System, und sie machen sensibler. Allen Männern, die angesichts der Debatte selbstmitleidig sagen, sie wüssten ja gar nicht mehr, wie sie sich verhalten sollten, sei klar gesagt: Jeder Mann kennt die Grenze ganz genau. Wer anderes behauptet, redet nur strafbare Delikte schön.