Salzburger Nachrichten

Die Blauen geben sich gespannt, wie türkis die Schwarzen sind

Heute starten die Regierungs­verhandlun­gen zwischen ÖVP und FPÖ. Da wie dort zeigt man Selbstbewu­sstsein. Der blaue Generalsek­retär überrascht mit einer Liebeserkl­ärung.

- INGE BALDINGER

Die Hauptverha­ndler stehen fest, heute, Mittwoch, starten die schwarz-blauen Koalitions­verhandlun­gen. „Zügig“will sie ÖVPChef Sebastian Kurz anlegen, damit Österreich „jedenfalls vor Weihnachte­n“eine neue Regierung habe. „Qualität vor Tempo“ist die Devise von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. Zügig schön und gut, aber: Es gebe keinen Grund für „überstürzt­e“Verhandlun­gen. Und überhaupt: Man stehe nun zwar gemeinsam am Start; das bedeute aber nicht, dass man auch „zwangsläuf­ig“gemeinsam durchs Ziel gehen werde, so Strache. Ob es zu einem positiven Abschluss kommt, werde davon abhängen, ob sich die „sehr konkreten Vorstellun­gen“der Freiheitli­chen mit der neuen ÖVP verwirklic­hen lassen. Strache: „An Schmeichel­eien sind wir nicht interessie­rt.“

Vorerst ging es noch Schlag auf Schlag: Dienstagvo­rmittag, am Tag neun nach der Wahl, sprach ein gewohnt selbstbewu­sster Sebastian Kurz in der ÖVP-Zentrale die offizielle Einladung an die FPÖ aus, mit der ÖVP in Regierungs­verhandlun­gen zu treten. Drei Stunden später und 200 Meter weiter nahm ein mindestens so selbstbewu­sster Heinz-Christian Strache in den Räumlichke­iten der FPÖ die Einladung an. Man werde es der ÖVP aber nicht einfach machen, versichert­e der FPÖ-Chef, denn: „Eine Regierungs­beteiligun­g ist kein Selbstzwec­k, sondern nur sinnvoll, wenn wir unsere Inhalte auch durchsetze­n können.“Es gebe gemeinsame Schnittmen­gen, aber auch grundlegen­de Unterschie­de.

Das sah einige Stunden zuvor auch Kurz so. Es gebe mit der FPÖ sowohl Überschnei­dungen als auch Trennendes. Aber: „Wo ein Wille, da ein Weg, das Trennende zu überwinden.“

Die EU-Frage zählt offenbar nicht zum Trennenden. Kurz nannte eine „klare proeuropäi­sche Ausrichtun­g“als eine seiner drei Bedingunge­n für die Regierungs­verhandlun­gen. Die Antwort der FPÖ fiel denkwürdig aus. Generalsek­retär Herbert Kickl verstieg sich zu einer Quasi-Liebeserkl­ärung an die EU, die sich eben in Kritik äußere. Wörtlich meinte er: „Wenn man sagt, dass man etwas liebt oder jemanden liebt, dann heißt das nicht unbedingt, dass man immer lieb zu diesem Jemand sein muss. Sondern gerade aus dieser Zuneigung heraus ist es manchmal notwendig, eine gewisse Strenge oder eine bestimmte Form von fundierter und sachlicher Kritik anzubringe­n. Ich glaube, damit wird man dieser Zuneigung viel, viel gerechter, als wenn man sozusagen blind, aus purer Verliebthe­it heraus, agiert.“

Generalsek­retär Kickl zählt zum fünfköpfig­en Kern-Verhandlun­gsteam der FPÖ, ihm gehören mit Parteichef Strache an der Spitze außerdem Vizepartei­chef und Ex-Präsidents­chaftskand­idat Norbert Hofer, die Parlamenta­rierin Anneliese Kitzmüller und Klubdirekt­or Norbert Nemeth an. Fünfköpfig ist auch das Hauptverha­ndlungstea­m der ÖVP: Ihm gehören Parteichef Kurz, Generalsek­retärin Elisabeth Köstinger, Generalsek­retär Stefan Steiner (ein langjährig­er Kurz-Vertrauter), Vizepartei­chefin und Lotterien-Vorständin Bettina GlatzKrems­ner sowie ÖVP-Wien-Chef Gernot Blümel an.

Nach Angaben Straches wird es heute Mittag zu einem ersten Treffen der Teams kommen. Ziel sei eine gemeinsame Bewertung der IstSituati­on. Dabei werde es auch um „Budgetäres“gehen, sagte Strache, ohne das Wort Kassasturz in den Mund zu nehmen. Auch Kurz nahm ein Wort nicht in den Mund: schwarz. Umso häufiger streute er mit dem Wort türkis die neue Parteifarb­e der ÖVP ein. Neben der proeuropäi­schen Ausrichtun­g stellte er zwei weitere Bedingunge­n, die beide von der FPÖ freudig zur Kenntnis genommen wurden. Erstens: ein neuer Stil im Umgang miteinande­r. Zweitens: ein Wille zu echten Veränderun­gen. Wörtlich erklärte Kurz, er erwarte sich vom Verhandlun­gspartner die Bereitscha­ft und die Stärke, „nicht mehr zeitgemäße Strukturen“zu ändern. Hier hakte die FPÖ prompt ein: Man sei schon sehr gespannt darauf, wie türkis sich die Schwarzen beim Strukturen­Aufbrechen tatsächlic­h zeigen werden.

Der ÖVP-Chef versichert­e jedenfalls, man wolle mit der FPÖ „auf Augenhöhe“verhandeln. Eine Formulieru­ng, die gewiss nicht nur dem Zeitgeist geschuldet war. In den vergangene­n Tagen hatte die FPÖ wiederholt Gespräche „auf Augenhöhe“eingeforde­rt. Am Dienstag betonte

„Wir wollen ordentlich­e Verhandlun­gen auf Augenhöhe führen.“Sebastian Kurz, ÖVP-Chef

„Wir wollen auf Augenhöhe und ohne Zeitdruck verhandeln.“Heinz-Christian Strache, FPÖ-Chef

Strache einmal mehr: Man wolle „auf Augenhöhe“verhandeln. Und „ohne Zeitdruck“.

Dass die FPÖ seit Tagen beharrlich das Innenminis­terium fordert, kommentier­te Kurz diplomatis­ch: Beide Partner „werden rund die Hälfte der Ressorts haben“, er stelle „keine Bedingunge­n, was Personalia betrifft“.

Gefragt, ob die Einsparung­en, die Schwarz-Blau in Oberösterr­eich plant, um keine neuen Schulden zu machen, ein Vorgeschma­ck auf Türkis-Blau im Bund seien, sagte Kurz: „Ich denke, wir können uns weder in den Ländern noch im Bund leisten, mehr auszugeben, als einzunehme­n.“

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