Salzburger Nachrichten

Einmal durch die Hölle und zurück

Von der biederen Gewerkscha­ftsbank zum Großspekul­anten in den USA und der Karibik. Die Geschichte der Bawag ist reich an Wendungen. Nach der Beinahe-Pleite setzt sie zum größten Börsegang in Wien an.

- Richard Wiens RICHARD.WIENS@SN.AT

Welch weiten Weg eine Bank in einem knappen Jahrhunder­t zurücklege­n kann, lässt sich kaum besser dokumentie­ren als am Beispiel der Bawag. Im Jahr 1922 als Arbeiterba­nk gegründet, bringen sie die jetzigen Eigentümer 2017 an die Wiener Börse. Dazwischen liegt eine höchst wechselvol­le Geschichte, die vor allem in der jüngeren Zeit höchst turbulent verlief. An der Wiege der Arbeiterba­nk in den Anfangsjah­ren der Ersten Republik stand die Idee, die Gelder der Gewerkscha­ften und der Konsumgeno­ssenschaft­en zu verwalten.

Dieser Ambition wurde schon im Jahr 1934 ein abruptes Ende gesetzt – im Ständestaa­t wurde die Bawag zwangsweis­e liquidiert. 1947 erstand die Arbeiterba­nk wieder auf – mit unveränder­tem Auftrag vom Österreich­ischen Gewerkscha­ftsbund neu gegründet. Ihren heutigen Namen erhielt die Bank für Arbeit und Wirtschaft erst im Jahr 1963. Im Selbstvers­tändnis war man die Bank des kleinen Mannes, der Schwerpunk­t lag auf dem Geschäft mit Spareinlag­en. Drei Jahrzehnte später war die Bank – geführt von Walter Flöttl – schon in ganz anderen Gefilden unterwegs. Die damals noch lukrativen Geschäfte in der Karibik musste die Bawag 1994 auf Druck der Aufsicht stoppen. Sie wurden unter Flöttls Nachfolger Helmut Elsner bald wieder aufgenomme­n, die Saat für den späteren Niedergang war gelegt.

Dazu kam 1995/96 der Zusammenbr­uch des Konsum. Für die Bawag als dessen Hausbank war dies ein schwerer Schlag, zumal der Konsum neben dem ÖGB der zweitgrößt­e Anteilseig­ner war. Man fand in der Bayerische­n Landesbank – die Jahre später als zwischenze­itlicher Hauptaktio­när der Hypo Alpe Adria ein entscheide­nder Mitspieler im dunkelsten Kapitel in Österreich­s Bankengesc­hichte war – einen Käufer für den Konsum-Anteil. Im Jahr 2000 gelang dem Bawag-Management der große Coup – man sicherte sich für 1,3 Mrd. Euro den Zuschlag bei der Privatisie­rung der Oesterreic­hischen Postsparka­sse. Doch im Hintergrun­d braute sich ein Wirbelstur­m zusammen, Wolfgang Flöttl setzte Hunderte Millionen Euro in den karibische­n Sand, die Bawag konnte nur bilanziere­n, weil der ÖGB für sie garantiert­e. 2004 verabschie­deten sich die Bayern wieder, ihr Interesse verlagerte sich bekanntlic­h nach Kärnten. Im Herbst 2005 holt die Bawag ihre Vergangenh­eit ein, man leiht dem US-Broker Refco, der zwischenze­itlich Miteigentü­mer der Bank, aber wieder ausgestieg­en war, Hunderte Millionen Euro – kurz darauf ist Refco pleite. 2006 ist schließlic­h das Jahr des Offenbarun­gseids für die Bawag, an deren Spitze mittlerwei­le der heutige Notenbank-Gouverneur Ewald Nowotny steht. Man muss nachträgli­ch hohe Verluste und dubiose Geschäfte mit Offshore-Firmen einbekenne­n. Das kostet nicht nur die Bawag-Vorstände, sondern auch ÖGB-Präsident Fritz Verzetnits­ch den Job. Die Bank kann nur gerettet werden, weil der Bund mit Kapital und einer Garantie einspringt. Damit ist aber auch das Schicksal der Bawag besiegelt, der ÖGB muss die Bank verkaufen. Das Rennen macht der US-Fonds Cerberus, der für 90 Prozent der Bank 2,6 Mrd. Euro hinlegt und 600 Mill. Euro einschießt, der Rest landet bei in- und ausländisc­hen Investoren. Fünf Jahre später steigt mit Golden Tree ein zweiter USFonds bei der Bawag ein. Schon damals war klar, dass sich die US-Investoren später von ihren Anteilen wieder trennen würden.

Dieser Zeitpunkt ist nun gekommen. Mit der Bawag kommt eine sanierte, schlankere, hoch profitable und im Onlinegesc­häft gut positionie­rte Bank an die Börse, sie erzielte 2016 fast 500 Mill. Euro Gewinn. Die beiden Haupteigen­tümer ziehen sich auf rund 55 Prozent zurück und kassieren dafür rund zwei Mrd. Euro. Mit dem bisher größten Börsegang in Wien schlägt die Bawag ein neues Kapitel in ihrer Geschichte auf. Gleichzeit­ig geht damit ein anderes zu Ende – die der Zusammenar­beit von Post und Bawag PSK. Beide waren zuletzt nicht mehr glücklich mit ihrer Kooperatio­n. Die Bawag sucht nun ihr Heil in der Erweiterun­g ihres eigenen Filialnetz­es und die Post ist auf der Suche nach einem neuen Partner, der wohl aus dem Ausland kommen wird. Wie ein sichtbares Zeichen des Aufbruchs und der Trennung von der Post wird die Bawag Ende 2018 auch das historisch­e Gebäude der Postsparka­sse verlassen und zum Hauptbahnh­of übersiedel­n. Ein idealer Ausgangspu­nkt für eine neue Reise.

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BILD: SN/APA/HERBERT NEUBAUER Nächstes Jahr zieht die Bawag wieder aus der Postsparka­sse aus.
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