Gibt es einen anderen Sieger als Hirscher?
Hirscher verletzt, Svindal mit halbem Programm: Es sieht so aus, als müsste man sich an einen neuen Weltcup-Gesamtsieger gewöhnen.
SÖLDEN. 39 Bewerbe (sogar 40 bei den Damen) in 20 Austragungsorten und dazu noch die Olympischen Winterspiele im südkoreanischen Pyeongchang im Februar: Der am kommenden Wochenende traditionell auf dem Rettenbachferner oberhalb von Sölden beginnende alpine Ski-Weltcup wird in diesem Winter wieder einmal eine Marathonveranstaltung.
Aber eine, der zumindest bei den Herren der große Favorit fehlt. Marcel Hirscher ist verletzungsbedingt am Anfang nicht dabei und hat ohnedies andere Pläne: Nach sechs Weltcup-Gesamtsiegen en suite genießt bei ihm heuer Olympia oberste Priorität. Auch wenn er eventuell nur zwei Rennen (Sölden, Levi) verpassen wird, so „fehlen mir 10.000 Trainingstore. Das wird dauern, bis ich das aufgeholt habe.“
Neben Hirscher gibt es nur noch zwei Fahrer, die den Weltcup gewonnen haben und noch aktiv sind: Carlo Janka und Aksel Lund Svindal. Janka quälte sich mit Blickrichtung auf die neuen Riesentorlaufski durch die ganze letzte Riesentorlaufsaison und wollte heuer in allen drei Disziplinen antreten – doch nach einem Kreuzbandriss am gestrigen Dienstag wird er die ganze Saison verpassen. Aus dem Kreis der Favoriten ist wohl auch Aksel Lund Svindal zu streichen: Ihn wird man in Zukunft nur noch sporadisch (oder gar nicht mehr) auf Riesentorlaufhängen sehen. „Ich muss mit meinem Knie sorgsam umgehen, denn es hält die vielen Schläge nicht mehr aus.“Svindal leidet unter Knorpelschäden. Der norwegische Jungstar Henrik Kristoffersen wiederum ist in einen Kleinkrieg mit seinem Verband betreffend eines Sponsordeals verstrickt – im Vorjahr bedeutete dies einen Karriereknick für den Jungstar mit Wohnsitz in der Stadt Salzburg. Bleibt also die Frage: Wer bekommt Mitte März 2018 die große Kugel für den Gesamt-Weltcupsieger?
Geht es nach FIS-Renndirektor Markus Waldner, dann heißt der Mann der kommenden Saison Alexis Pinturault. „Er ist derzeit der kompletteste Fahrer im Weltcup und kann in fünf Disziplinen auf einem sehr hohen Level fahren“, meinte der Renndirektor in einem Interview auf der FIS-Homepage. Das mag stimmen, doch konnte der Franzose in den letzten Jahren nie sein enormes Rennprogramm auch nur annähernd durchziehen. Dem hat er Rechnung getragen und sich ein Umfeld geschaffen, das jenem von Marcel Hirscher sehr ähnlich ist.
Wahrscheinlich wird jedoch ein ganz anderes Detail den kommenden Weltcup entscheiden: die Frage, wie die Kräfteverhältnisse im Riesentorlauf nach der Materialumstellung (ab heuer wieder größerer Radius der Ski) verteilt sind. Denn sollte – wie von den meisten Läufern und Trainern erwartet – die Gruppe der Sieganwärter rapide anwachsen, dann sind Seriensiege im Riesentorlauf, wie in den letzten Saisonen von Marcel Hirscher gezeigt, nicht mehr möglich.
Solche Gedankenspiele kosten Felix Neureuther nur ein Schmunzeln. „Der Marcel braucht überhaupt erst zu Weihnachten einsteigen und gewinnt den Weltcup trotzdem ohne Probleme“, sagt der Bayer und verweist auf den gewaltigen Vorsprung in der letzten Saison. Da lag Hirscher 675 Punkte vor Kjetil Jansrud. Zum Vergleich: Der Norweger hat insgesamt nur 924 Zähler gemacht.