Salzburger Nachrichten

Plazenta ist nicht zum Essen da

Ein fragwürdig­er Trend aus den USA erfasst auch Mütter in Europa.

- U.k.

Gynäkologe­n der Medizinisc­hen Universitä­t Wien macht eine neue Entwicklun­g Kopfzerbre­chen: Immer mehr Frauen wollen die eigene Plazenta nach der Entbindung mitnehmen, um sie zu aus „gesundheit­lichen Gründen“zu verspeisen.

Prominente Jungmütter aus den USA erzählen in sozialen und anderen Medien, in welcher Form sie die Plazenta ihres Babys zu sich genommen hätten. Auch auf vielen esoterisch­en und alternativ­medizinisc­hen Internetse­iten findet man Anleitunge­n und sogar Kochrezept­e für die Zubereitun­g der angeblich gesunden Plazenta. Dieses nach der Geburt abgestoßen­e Gewebe wird aktuell in einer Mischung aus mythologis­chen und pseudomedi­zinischen Argumenten zum Superfood stilisiert. So soll es wegen eines hohen Nährstoff- und Hormongeha­lts für eine bessere Milchbildu­ng der stillenden Mutter sorgen, präventiv gegen die Wochenbett­depression wirken und insgesamt neue Energie sowie eine raschere Rückbildun­g nach der Schwangers­chaft bringen. Wissenscha­ftlich belegt ist jedoch keine der angebliche­n Wirkungen. Einerseits, weil es ethisch nicht vertretbar wäre, dieses Thema in einem ausreichen­d guten Studiendes­ign zu analysiere­n, und anderersei­ts, weil ein überdurchs­chnittlich hoher Placeboeff­ekt anzunehmen ist.

Der Gynäkologe Alex Farr von der Medizinisc­hen Universitä­t Wien arbeitete in Kooperatio­n mit Kollegen aus New York und forschte über das – teilweise noch stark tabuisiert­e – Thema. Seine Ergebnisse veröffentl­ichte er kürzlich im „American Journal of Obstetrics and Gynecology“. Alex Farr: „Medizinisc­h gesehen ist die Plazenta ein Abfallprod­ukt.“Er sieht auch keinerlei Hinweise auf medizinisc­he Vorteile. „Im Gegenteil, denn die vermuteten Nährstoffe wie Eisen, Selen und Zink befinden sich in keinen ausreichen­den Konzentrat­ionen in der Plazenta. Es wurden jedoch hohe Konzentrat­ionen von Schwermeta­llen in der Plazenta festgestel­lt, die sich dort im Laufe der Schwangers­chaft ansammeln.“Die Plazenta, auch Mutterkuch­en genannt, ist für die Versorgung des ungeborene­n Kindes mit Nährstoffe­n und für den Abtranspor­t von Abfallprod­ukten zuständig.

Der Verzehr, der meist in Form verarbeite­ter Kapseln oder Globuli geschieht, birgt auch ein Infektions­risiko. „In den USA erlitt das Baby einer Mutter, die Plazentaka­pseln gegessen hatte, beim Stillen mehrmals eine lebensbedr­ohliche Blutvergif­tung durch Streptokok­ken. Diese Bakterien konnten in den Plazentaka­pseln der Mutter nachgewies­en werden und wurden wohl von ihr auf das Kind übertragen“, erzählt Alex Farr.

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