Salzburger Nachrichten

Ferrero-Waldner erinnert an die härteste Zeit ihres Lebens

Zur Zeit der EU-Sanktionen war sie Außenminis­terin in der schwarz-blauen Regierung. Nun zieht sie Bilanz.

- Benita Ferrero-Waldner: „Benita – Wo ein Wille, da ein Weg“. Aufgezeich­net von Ewald König, Böhlau Verlag, 420 Seiten, 29,90 Euro. SN, APA

UNO-Protokollc­hefin, Außenminis­terin, EU-Kommissari­n: Benita Ferrero-Waldner zieht Bilanz über ihr Leben, das sie rund um die Welt geführt hat. „Benita – Wo ein Wille, da ein Weg“heißt ihr Buch, das Montagaben­d in Wien vorgestell­t wurde. Das längste Kapitel, ganze 70 Seiten, widmet FerreroWal­dner den Sanktionen, die von der EU nach der Bildung der schwarz-blauen Regierung Anfang 2000 über Österreich verhängt wurden.

Die Sanktionsz­eit mit „Ausgrenzun­gen und Beleidigun­gen“seitens der EU-Partner wurde für die damalige ÖVP-Außenminis­terin zum Härtetest. „Neun Monate, an Dramatik nicht zu überbieten“, lautet ihr Fazit. Und: Die Regierung habe „die Brüskierun­gen würdig durchgesta­nden“. Die Europäisch­e Union habe Österreich 2000 den Dialog verweigert und keine Erklärungs­möglichkei­t eingeräumt. Es wurde ein Exempel statuiert, ohne „Audiatur et altera pars“. Heute sei ein Verfahren mit Anhörung und Warnung geltendes EU-Recht. Ferrero-Waldner schildert diverse Anfeindung­en in der Sanktionsz­eit, als sie isoliert und „empörend behandelt“wurde. So war die Regierung zur Eröffnung der EU-Beobachtun­gsstelle für Rassismus und Fremdenfei­ndlichkeit in Wien im April 2000 nicht eingeladen. Ferrero-Waldner ging als Außenminis­terin uneingelad­en zum Festakt und wurde von Agenturche­fin Beate Winkler öffentlich als „unerwünsch­t“deklariert. Auch auf OSZE-Ebene – Österreich hatte 2000 den Vorsitz – erlebte sie „kühle Szenen“. „Franzosen, Belgier, aber auch Deutsche versuchten mich fertigzuma­chen“, schreibt sie. Namentlich nennt sie Präsident Jacques Chirac, Premier Lionel Jospin und Europamini­ster Pierre Moscovici („die treibende Kraft“). In der deutschen Rot-Grün-Regierung verweigert­e Bundeskanz­ler Gerhard Schröder ein Treffen mit Wolfgang Schüssel. Außenminis­ter Joschka Fischer brüskierte sie, entschuldi­gte sich aber später bei ihr. „Unmöglich“habe sich ihr belgischer Amtskolleg­e Louis Michel verhalten; sein Sager vom „unmoralisc­hen Skifahren in Österreich“machte Schlagzeil­en. Auch von ihm kam später eine Entschuldi­gung.

Auf den EU-Gipfeln gab es ein Gezerre ums Benehmen und die Fotos: kein Händedruck mit österreich­ischen Ministern, kein „Familienfo­to“. Beim EU-Gipfel im Juni auf den Azoren gab es erste Anzeichen auf Entspannun­g. Man suchte einen Ausweg, fand ihn im „Weisenrat“, der Österreich im Herbst 2000 freisprach. Zuvor hatte Berlin die Verantwort­ung für die harte Haltung Paris zugeschobe­n, wie Ferrero-Waldner schreibt.

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BILD: SN/APA Ein Bild aus den Wendejahre­n: Kanzler Wolfgang Schüssel und Außenminis­terin Benita Ferrero-Waldner.

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